Auch Medizinstudenten und Ärzte erkranken und müssen zum Arzt. Doch nach welchen Kriterien suchen sich Studenten, Assistenten und erfahrene Mediziner einen geeigneten Kollegen? Wir haben uns umgehört.
Fährt man mit der Straßenbahn einmal quer durch Hannover, scheint der oft diskutierte Ärztemangel ein ominöses Gerücht zu sein. Beim Blick durch das Fenster sehe ich unzählige Praxenschilder und medizinische Gesundheitszentren. Die Auswahl an Hausärzten, Zahnärzten und Gynäkologen scheint nahezu grenzenlos. Doch wie finde ich als neu zugezogene Medizinstudentin einen kompetenten Allgemeinmediziner, bei dem ich mich gut aufgehoben fühle? Schließlich habe ich kürzlich aus familiären Kreisen schon so einiges über inkompetente Orthopäden und unfreundliche Hausärzte gehört, die bereits bei einer simplen Kortisonspritze leichte Unsicherheit vermitteln. Auch wenn ich das Examen noch nicht in der Tasche habe, verfüge ich doch über ein fundiertes Grundwissen, das ich auch von einem „richtigen Arzt“ erwarte. Daher bin ich auch ziemlich kritisch, wenn ich mich auf Arztsuche begebe. Doch ich scheine in meinem Hörsaal nicht die Einzige zu sein, denn auch eine Kommilitonin unterzieht jeden neuen ihrer Behandler einer kritischen Prüfung: „Nachdem ich neulich nach einem schlimmen Insektenstich einem Hausarzt aus dem Notdienst das für mich geeignete Antibiotikum diktieren musste, bin ich hinsichtlich neuer Ärzte noch viel kritischer geworden. Ich erwarte eine picobello Praxis, vernünftige Organisation zur Vermeidung ewig langer Wartezeiten und natürlich eine vernünftige Behandlung nach den Grundsätzen, die ich mir gerade selbst im Studium aneignen muss“, berichtet Lena. „Und wenn ich dann mal einen neuen Arzt brauche, frage ich entweder in meinem Freundeskreis rum oder versuche, zum Beispiel während einer Famulatur, an eine passende Adresse zu kommen.“ Ein ähnliches Statement bekomme ich von Jens, der gerade mit seinen letzten Scheinen beschäftigt ist, und sich daher schon fast selbst als Arzt bezeichnen kann. Von der alternativen Anlaufstelle der Online-Ärzteportale im Internet hält er hingegen eher wenig: „Ich habe einmal aus Spaß auf einem solchen Portal einen mir bekannten Arzt gesucht und die entsprechenden Bewertungen durchgesehen. Diese entsprachen so gar nicht meinem persönlichen Eindruck und schienen extrem subjektiv zu sein“, erzählt er von seiner letzten Arztsuche im Internet. „Seitdem frage ich lieber mir bekannte Ärzte nach guten Kollegen oder höre mich bei Freunden und Familie um.“
Michael, ein Assistenzarzt für Orthopädie im zweiten Jahr, verfolgt eine ähnliche Strategie. „Also ich frage immer erst unter Kollegen und ehemaligen Kommilitonen und Kommilitoninnen rum, im Internet habe ich noch nie gesucht. Naja, und meistens gehe ich auch gar nicht richtig in eine Praxis, sondern besorge mir bei Zipperlein selbst das entsprechende Medikament oder lasse mich von einem erfahrenen Kollegen in der Mittagspause beraten“, fügt er noch hinzu. Seine Antwort liegt natürlich relativ nahe, denn er sitzt ja an der Quelle. Seine Kommilitonen aus Studienzeiten sind inzwischen ebenfalls Assistenten verschiedener Fachrichtungen. Und wenn er sich einmal nicht selbst helfen kann, schickt er rasch eine eMail und erbittet sich einen ärztlichen Rat. Tja, die Technik macht es möglich. Kein Wunder, dass auch private Netzwerke innerhalb der Ärzteschafft ordentlich expandieren. Dieser Zusammenhalt macht auch Sinn, da jeder Krankheitsfall in eigenen Reihen schnell zu Lasten der meist schon überlasteten Kollegen geht. Da ist es auch viel praktischer, wenn Arzt A schnell wieder fit wird und Arzt B auf Station unterstützen kann. „Wir helfen uns eigentlich immer gegenseitig, wenn es einen mal mit einer heftigen Erkältung erwischt“, gibt Michael ein Beispiel für den Zusammenhalt zwischen den Ärzten. „Dann macht der Kranke halt den Schreibkram und wir versuchen notfalls einen schnellen Termin über mit der Station bekannte ambulante Ärzte zu vermitteln. Ist doch Ehrensache!“
Dass die Suche in den eigenen Reihen im Vergleich zur stundenlangen Internetrecherche nicht nur der schnellere sondern oftmals auch der bessere Weg hinsichtlich zuverlässiger Beurteilungen sein kann, zeigen kritische Stimmen aus den Medien. So stehen immer mehr Bewertungsportale in der Kritik, da die Ärzte teilweise anonym ihre eigenen Bewertungen fälschen können. Darüberhinaus dürfen auch ganz klassische Selektionseffekte nicht vernachlässigt werden. Schließlich schreibt nicht jeder Patient nach einem Arztbesuch eine standardisierte Kritik, wie es sich vielleicht die Marktforschung wünschen würde. Es sind vielmehr die entweder total dankbaren oder total verärgerten Patienten, die eine Online-Notiz hinterlassen. Und wer weiß? Vielleicht motivieren einige Ärzte auch Patienten mit Hilfe von Zusatzleistungen oder einer besonderen Behandlung zur guten Beurteilung.
Wie trefft Ihr die Wahl, welcher Arzt Euch behandelt?