Alzheimer-Patienten leiden unter dem Abbau kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten. Dafür ist einer neuen Studie zufolge eine niedrige Menge an Serotonintransportern die Ursache. Aus dieser Erkenntnis könnten neue Therapieansätze entwickelt werden.
Der Neurotransmitter Serotonin ist an wichtigen physiologischen Prozessen, wie Gedächtnisleistung, Schlafsteuerung und Essverhalten beteiligt. Menschen, die an der Alzheimer-Krankheit leiden, zeigen einen ausgeprägten Serotoninmangel. Dementsprechend schwerwiegend sind die Symptome: Patienten leiden unter dem Abbau des Gedächtnisses sowie kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten. Ob allerdings der niedrige Serotoninspiegel für die Alzheimer-typische Hirnatrophie verantwortlich ist oder umgekehrt, konnte bisher nicht geklärt werden.
Eine neu veröffentlichten Studie zufolge soll der Mangel an Serotonin im Gehirn für den Abbau kognitiver Fähigkeiten verantwortlich sein. „Mit der Entwicklung einer Therapie, die darauf abzielt, die Serotonin-Funktion aufrecht zu halten, könnte das Fortschreiten dieser Krankheit verlangsamt werden“, erklärt Gwenn Smith, Leiterin der Studie und Professorin für Psychiatrie an der John Hopkins Universität in Baltimore, USA. Bisher wurden zwar schon Medikamente, die den Serotoninspiegel im Gehirn positiv beeinflussen an Alzheimer-Patienten getestet. Diese zeigten aber nur mäßigen Erfolg. Hierbei handelte es sich um Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), die gegen Depressionen und Angststörungen eingesetzt werden. „Solche Medikamente wirken nur, wenn eine gewisse Menge an Serotonintransportern (SERT) vorhanden ist. Bei Alzheimer-Patienten ist diese aber reduziert.“, so Smith. „Das könnte der Grund sein, warum eine Therapie mit SSRI zu keinem Erfolg führt.“ SERT sind für die Wiederaufnahme von Serotonin vom synaptischen Spalt ins präsynaptische Neuron verantwortlich und damit essentiell für die Serotonin-Funktion.
In der Studie wurden die SERT-Level und das Volumen der grauen Hirnsubstanz von 28 Probanden mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (LKB) mit denen von 28 gesunden Personen verglichen. LKB sind die ersten Anzeichen der Alzheimer-Krankheit und äußern sich z.B. durch Gedächtnisstörungen und Organisationsschwierigkeiten. Die Probanden, alle etwa 66 Jahre alt, wurden mithilfe verschiedener neuropsychologischer Tests nach ihrer kognitiven Leistung beurteilt und dementsprechend in die zwei Gruppen eingeordnet. Die Neuropsychiater konnten bei den Probanden mit LKB bis zu 38 % weniger SERT nachweisen als bei den gesunden Probanden. Das Volumen der grauen Hinsubstanz hingegen zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Hirnatrophie sei demnach nicht die Ursache für die gemessenen kognitiven Beeinträchtigungen, sondern der Rückgang an SERT. Die Serotonintranporter könnten, laut Smith, zum neuen potentiellen Ziel medikamentöser Behandlung werden. Leichte kognitive Störungen ließen sich womöglich therapieren und ein Fortschreiten der Alzheimer-Symptome aufhalten. Quelle:
Molecular imaging of serotonin degeneration in mild cognitive impairment. Gwenn S. Smith et al., Neurobiology of Disease, doi: 10.1016/j.nbd.2017.05.007; 2017