Ein Aortenaneurysma bleibt oft über Jahre unbemerkt – Beschwerden haben Patienten bis zur Ruptur eher selten. Umso wichtiger sind Screenings von Risikogruppen und innovative Therapien. Methodisch hochwertige Studien zeigen Stärken und Schwächen der einzelnen Verfahren.
Bei schätzungsweise zehn Prozent aller Männer und zwei Prozent aller Frauen kommt es im Alter zu Erweiterungen der Hauptschlagader im Bauch. Als Risikofaktoren gelten Arteriosklerose, genetische Prädisposition, arterielle Hypertonie, Rauchen und koronare Herzerkrankungen. Aortenaneurysmen können lebensgefährlich sein, sollte es zu einer Ruptur kommen – allein in 2010 gab es 2.410 Behandlungsfälle. Hier liegt die Letalität nach wie vor bei 80 Prozent. Ärzte entdecken einen Großteil aller Ausstülpungen zufällig bei Sonographien – oft sehr zum Erstaunen von Patienten.
Britische Kollegen plädieren deshalb für systematische Screening-Programme. Eine Arbeit zeigt den Mehrwert entsprechender Reihenuntersuchungen. Dazu luden Ärzte 67.700 Männer im Alter von 65 bis 74 Jahren randomisiert zur Untersuchung ein – oder eben nicht. Im diagnostischen Studienarm kamen 27.204 Patienten zur Sonographie. Tatsächlich ließ sich bei 1.334 Personen ein Aortenaneurysma im Abdomen nachweisen. Daraufhin folgten 600 geplante chirurgische Eingriffe (Kontrollgruppe: 277). Bei lediglich 80 Personen waren Notfalleingriffe erforderlich (Kontrollgruppe: 166). Selbst 13 Jahre später ließ sich noch ein Mehrwert des Screenings nachweisen: In der Sonographie-Gruppe verstarben nur 224 Patienten durch Rupturen oder Eingriffe, in der Kontrollgruppe waren es 381. Darüber hinaus verringerte sich die Zahl an nicht tödlichen Rupturen um die Hälfte. Auch hinsichtlich der Gesamtmortalität fanden die Autoren zumindest geringe Vorteile in der Untersuchungsgruppe. Ihr Fazit: Um einen Todesfall in Zusammenhang mit einem Aneurysma zu verhindern, müssten rein statistisch 216 Patienten untersucht werden. Dies seien bessere Zahlen als bei der Mammographie. Ein Wort zur Methodik: Ärzte der Europäischen Ultraschallgesellschaft raten in ihrer Leitlinie zur „Contrast Enhanced Ultrasound“-Technologie (CEUS). Kontrastmittelverstärkter Ultraschall könne in vielen Fällen CT-Untersuchungen überflüssig machen oder ergänzen, heißt es.
Doch es gibt auch konträre Standpunkte. Internisten aus Stanford, USA, fanden keinen Mehrwert bei ihren Screening-Programmen. Sie untersuchten 65-jährige Männer, die in ihrem Leben mindestens 100 Zigaretten konsumiert hatten. An entsprechende Kontakte kamen Ärzte über Medicare – diese Krankenversicherung erstattet Songraphien des Abdomens einmalig. Als Vergleichsgruppe dienten Versicherte ohne Anspruch, sich untersuchen zu lassen. Bei der Auswertung fand man keinen Effekt auf die Gesamtsterblichkeit beziehungsweise auf die Mortalität nach Rupturen. Ein möglicher Kritikpunkt ist das Alter – an der britischen Sonographie-Studie nahmen weitaus betagtere Patienten teil. Auch folgten nur zehn Prozent der angeschriebenen Medicare-Versicherten ihrer Einladung zum Untersuchungstermin – im Vergleich zu 80 Prozent in Großbritannien.
Die Untersuchung ist nur ein erster Schritt – nicht jedes Aortenaneurysma muss sofort behandelt werden. Kleinere Ausstülpungen mit weniger als drei Zentimetern Durchmesser werden im Zuge der „Watchful Waiting“-Strategie regelmäßig untersucht. Bei Frauen gelten 4,5 Zentimeter oder mehr als Indikation für eine Therapie, bei Männern fünf Zentimeter. Selbst größere Formen erfordern heute nur noch selten offene Eingriffe, wie sie in den 1990er-Jahren generell üblich waren. Bei den meisten Patienten platzieren Gefäßchirurgen unter Röntgenkontrolle einen Stent auf Höhe des Aneurysmas. Dieses Implantat aus Metall mit inerter Kunststoffummantelung schneidet Ausstülpungen vom Blutfluss ab. Moderne OP-Techniken und schonende Narkosen haben die Mortalität bei entsprechenden Eingriffen stark gesenkt. In seltenen Fällen kommen Rohr- oder Bifurkationsprothesen nach wie vor zum Einsatz.
Trotzdem profitieren nicht alle Patienten vom Eingriff, lautet die Kritik amerikanischer Kollegen. Dazu werteten sie Krankenakten von 2.367 Patienten mit abdominalen Aortenaneurysmen unter 6,5 Zentimetern Durchmesser aus. Chirurgen führten 1.653 endovaskuläre und 714 offene Eingriffe durch. Fünf Jahre später lebten in der Gruppe mit endovaskulärer OP noch 75 Prozent aller Patienten, während es bei offener Reparatur 80 Prozent waren. Darüber hinaus gelang es den Autoren, spezielle Risikofaktoren zu identifizieren, etwa ein hohes Alter von 80 Jahren oder mehr. Besonders schlechte Prognosen hatten Betroffene bei instabiler Angina pectoris oder Herzinfarkten in der Vorgeschichte. War die glomeruläre Filtrationsrate stark eingeschränkt, sprich unter 30 ml/min/1,73m², wirkte sich dies ebenfalls negativ aus. Und wer unter einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung mit Sauerstofftherapie litt, hatte auch schlechte Karten. Bei zwei großen oder mehreren kleinen Risikofaktoren sankt das Fünf-Jahres-Überleben auf magere 43 Prozent. Positiv wirkte sich eine Vorbehandlung mit ASS oder Statinen aus. Basierend auf ihren Daten fordern die Autoren jetzt, Patienten mit mehreren Risikofaktoren generell nur noch zu operieren, falls eine Ruptur des Aneurysmas droht – nach dem Motto „primum non nocere“.
Bleibt zu klären, ob es generell Unterschiede zwischen endovaskulären und offenen OPs gibt. Dazu liegen mittlerweile vier randomisierte Multicenterstudien vor: ACE (Anevrysme de l'aorte abdominale, Chirurgie versus Endoprothese), OVER (Standard Open Surgery Versus Endovascular Repair of Abdominal Aortic Aneurysm), DREAM (Dutch Randomised Endovascular Aneurysm Management) und EVAR-1 (Comparison of Endovascular Aneurysm Repair with Open Repair in Patients with Abdominal Aortic Aneurysm). Zwar zeigen drei Arbeiten geringere 30-Tage-Letalitäten beim endovaskulären Verfahren (0,2 bis 1,7 Prozent) im Vergleich zum offenen Eingriff (0,7 bis 4,7 Prozent). Nach zwei bis drei Jahren nivellierten sich jedoch alle Unterschiede – und kehrten sich in das Gegenteil: Patienten, die über einen Katheter minimalinvasiv versorgt werden, haben schlussendlich mit einer höheren Komplikationsrate zu kämpfen. Ärzte führen knapp jede dritte Reintervention aufgrund von Endoleckagen durch. Deshalb lautet der Rat, Stents nach drei, sechs und zwölf Monaten zu kontrollieren. Später sollten jährliche Untersuchungen folgen.
Für Ärzte und Patienten ist diese Situation äußerst unbefriedigend. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt arbeiten die TU Hamburg-Harburg und das Universitätsklinikum Eppendorf deshalb an neuartigen Sensoren. Kaum größer als 0,25 Quadratmillimeter, messen intelligente Chips Druckverhältnisse im Aneurysma. Alle Daten werden auf mobile Systeme übertragen, die weit vor einer Ruptur Alarm schlagen. Noch ist viel davon Zukunftsmusik – aber das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert medizinische Nanoelektronik mit 2,5 Millionen Euro, um schneller Nägel mit Köpfen zu machen.