Seit Januar 2013 ist Colestilan zugelassen zur Behandlung von Patienten mit chronischem Nierenversagen. Das IQWiG hat in einer frühen Nutzenbewertung überprüft, ob dieser neue Wirkstoff gegenüber der bisherigen Standardtherapie einen Zusatznutzen bietet.
Seit Januar 2013 ist Colestilan (BindRen®) zugelassen zur Behandlung von Patienten mit chronischem Nierenversagen, die eine Hämodialyse oder Peritonealdialyse erhalten. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat in einer frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) überprüft, ob dieser neue Wirkstoff gegenüber der bisherigen Standardtherapie einen Zusatznutzen bietet. Der Befund: Patienten, für die calcium- und aluminiumhaltige Phosphatbinder nicht in Frage kommen, hätten von Colestilan einen geringeren Nutzen als von Sevelamerhydrochlorid. In der maßgeblichen Studie haben sie häufiger die Therapie wegen Nebenwirkungen abgebrochen. Bei Patienten ohne eine solche Kontraindikation sei ein Zusatznutzen nicht belegt, da der Hersteller keine relevanten Studien vorgelegt hat.
Kann die Niere den Salz-, Wasser- und Säure-Basen-Haushalt nicht mehr regulieren, reichert sich im Blut u.a. Phosphat an (Hyperphosphatämie). Phosphatbinder sollen helfen, das mit der Nahrung aufgenommene Phosphat zu binden und Folgen wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu vermindern. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat zwei Indikationen unterschieden und für diese jeweils verschiedene zweckmäßige Vergleichstherapien festgelegt: Bei Patienten, für die calcium- oder aluminiumhaltige Phosphatbinder z.B. wegen einer Hypercalcämie nicht infrage kommen, soll Colestilan mit Sevelamer oder Lanthankarbonat verglichen werden. Liegt keine Kontrainidikation vor, sind calcium- oder aluminiumhaltige Phosphatbinder die Vergleichstherapie. Bei Patienten, für die calcium- oder aluminiumhaltige Phosphatbinder – einzeln oder in Kombination – prinzipiell geeignet sind, ist der Zusatznutzen von Colestilan nicht belegt. Denn der Hersteller hat keine relevante Studie für diesen Vergleich vorgelegt.
Für das zweite Anwendungsgebiet lag eine randomisierte kontrollierte Studie vor, in der Colestilan gegen Sevelamerhydrochlorid getestet wurde. Allerdings hatten die meisten Teilnehmer gar keine Kontraindikation für calcium- oder aluminiumhaltige Phosphatbinder, weshalb letztlich nur knapp ein Viertel (24,5%) für die Nutzenbewertung herangezogen werden konnte. Um die Ergebnisse dieser mit 81 Patienten relativ kleinen Zielpopulation besser interpretieren zu können, haben die Wissenschaftler auch die Resultate für die gesamte Studienpopulation betrachtet. Zudem war die Laufzeit der Studie mit 12 Wochen sehr kurz, handelt es sich hier doch um eine Dauertherapie. Für mehrere Endpunkte gibt es keine Ergebnisse, weil die entsprechenden Ereignisse innerhalb der 12 Wochen, in denen die Patienten in der Studie behandelt wurden, in der Zielpopulation gar nicht und auch in der Studienpopulation nur selten eintrafen. Für die Sterblichkeit (Gesamtmortalität) gilt das ebenso wie für symptomatische vertebrale und non-vertebrale Frakturen und auch für gastrointestinale Störungen und Stoffwechselazidosen. Keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen dem Colestilan-Arm und dem Sevelamerhydrochlorid-Arm zeigten sich bei kardiovaskulären Ereignissen (Erkrankungen von Herz, Gefäßen, Nervensystem) sowie bei schweren Nebenwirkungen (schwerwiegende unerwünschte Ereignisse). Die gesundheitbezogene Lebensqualität wurde in der Studie nicht erhoben.
Anders sieht es beim Endpunkt Therapieabbruch wegen Nebenwirkungen aus: Unter Colestilan war das häufiger der Fall als unter Sevelamerhydrochlorid. Der Unterschied war in der Studienpopulation statistisch signifikant, in der Zielpopulation zeigte sich ein ähnliches Ergebnis, wobei die Signifikanzgrenze unterschritten wurde. Insgesamt ergibt sich daraus ein Anhaltspunkt für einen größeren Schaden von Colestilan. Dessen Ausmaß lässt sich aufgrund der Unsicherheit der Daten nicht quantifizieren. Da es lediglich diesen negativen Effekt, aber keinen positiven gebe, geht das Institut in der Gesamtschau von einem Anhaltspunkt für einen geringeren Nutzen von Colestilan im Vergleich zu Sevelamerhydrochlorid aus. Dies gelte für Patienten mit einer Kontraindikation für calcium- und aluminiumhaltige Phosphatbinder. Für Patienten ohne Kontraindikation sei der Zusatznutzen von Colestilan nicht belegt.