Ärzte verstoßen gegen berufsrechtliche Vorschriften, wenn sie in ihrer Sprechstunde Proben von Nahrungsergänzungsmitteln verteilen. Weiteres Problem: Patienten ist der Unterschied zu Arzneimitteln nicht immer klar. Sie könnten die Geschenke als Kaufempfehlung verstehen.
Ein Gynäkologe aus Frankfurt hatte seiner Patientin das Coenzym Q10, Selen, Zink und weitere Nahrungsergänzungsmittel (NEM) empfohlen und gleichzeitig das Bestellformular eines Online-Shops mitgegeben. Das kam der Frau äußerst merkwürdig vor. Sie sprach mit der Verbraucherzentrale Hessen und erlebte eine Überraschung. Ihre nicht apothekenpflichtigen Präparate wären im Einzelhandel um etwa 90 Euro pro Packung günstiger gewesen. Dabei handelte es sich nicht um Medikamente, sondern um NEM.
Verbraucherschützer überprüften die Situation in den Arztpraxen und veröffentlichten dazu eine Umfrage über das Portal „Klartext Nahrungsergänzung“. An der nicht repräsentativen Befragung nahmen 435 Konsumenten teil. 35 Prozent gaben an, vom Arzt NEM als Gratisprobe erhalten zu haben. Bei 25 Prozent traf das einmal zu, weitere zehn Prozent erhielten mehrmals kostenlose Probepackungen in der Sprechstunde. Rund die Hälfte dieser Patienten (17 Prozent) hat das angebotene Nahrungsergänzungsmittel anschließend auch gekauft. © Verbraucherzentrale Hessen
Wiebke Franz von der Verbraucherzentrale Hessen bewertet das Vorgehen als „Verstoß gegen Berufsrecht“. „Waren dürfen nur bei medizinischer Notwendigkeit an Patienten verkauft werden“, stellt beispielsweise die Landesärztekammer Thüringen klar. „Nicht das Produkt, sondern die Abgabe durch den Arzt muss therapeutisch erforderlich sein.“ Diese Vorschrift soll verhindern, dass Mediziner ihre besondere Vertrauensposition missbrauchen, um beispielsweise NEM zu veräußern. Schon der Hinweis auf bestimmte Firmen oder das Auslegen von Flyern ist untersagt. Warenmuster sind keine Ausnahme von der Regel.
„Offensichtlich verstehen Patienten die Gratisprobe häufig als ärztliche Empfehlung für den Kauf genau dieses Nahrungsergänzungsmittels“, erklärt Franz. Derartige Ratschläge könnten zur Verwechslung von Nahrungsergänzungsmitteln mit Arzneimitteln führen, lautet eine Befürchtung der Verbraucherschützer.