Ein dreidimensionales Hirnmodell gewährt nun tiefe Einblicke in die menschliche Schaltzentrale. Erstmals ist es möglich, in allen drei Ebenen des Raums die komplizierte Struktur des Gehirns auf mikroskopischer Ebene zu sehen und zu verstehen.
Fünf Jahre haben Jülicher Forscher um die Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Katrin Amunts gemeinsam mit Kollegen aus Montreal (Kanada) an dem frei zugänglichen Modell gearbeitet. Die Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift „Science“ vorgestellt. „,BigBrain’ hilft uns, neue Erkenntnisse über das gesunde, aber auch erkrankte Gehirn zu gewinnen“, berichtet Katrin Amunts, Direktorin des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1) und des C. und O. Vogt-Instituts für Hirnforschung der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf. Ein Beispiel: „Die menschliche Hirnrinde ist aufgrund ihrer Entwicklung sehr stark gefaltet“, so die Neurowissenschaftlerin. Daher lasse sich die Dicke der Hirnrinde in einigen Arealen durch bildgebende Verfahren, wie z. B. die Magnetresonanztomografie, nur sehr ungenau bestimmen. Die Dicke der Hirnrinde verändert sich jedoch im Laufe des Lebens und auch bei neurodegenerativen Prozessen wie der Alzheimer’schen Erkrankung. „Mit Hilfe unseres hochauflösenden Hirnmodells können wir nun in verschiedenen funktionellen Hirnarealen, wie etwa der motorischen Rinde oder einer Hirnregion, die unter anderem für Lernen und Gedächtnis wichtig ist, neue Einsichten in deren normalen Aufbau gewinnen und zahlreiche Strukturmerkmale messen“, erläutert Katrin Amunts. Das wird dazu beitragen, Veränderungen in Patientengehirnen genau bestimmen und bewerten zu können.
Das virtuelle dreidimensionale Gehirn basiert auf Informationen aus über 7.400 Gewebeschnitten mit einer Dicke von nur 20 Mikrometern, die aus einem menschlichen Gehirn gewonnen wurden. „Damit wurde vor mehr als fünf Jahren in Düsseldorf begonnen“, berichtet Mitinitiator Prof. Karl Zilles, heute Senior-Professor in JARA-BRAIN, dem Hirnforschungsverbund zwischen dem Forschungszentrum Jülich und der RWTH Aachen. Jeder einzelne Gewebeschnitt wurde im Forschungszentrum Jülich eingescannt und anschließend dreidimensional an Großrechnern rekonstruiert. „Die Verarbeitung der hauchdünnen, fragilen Gewebeproben ist extrem schwierig und aufwändig“, sagt Katrin Amunts. Es entstehen beim Schneiden der hauchdünnen Schnitte mitunter Risse oder Falten, die in den digitalisierten Schnitten mit Hilfe moderner Bildverarbeitungstools „repariert“ werden müssen, so die Forscherin. Um die riesigen Datensätze zu verarbeiten, dreidimensional zu rekonstruieren und im Detail auszuwerten, benötigten die Wissenschaftler leistungsstarke Supercomputer in Kanada und Jülich. Originalpublikation: BigBrain: An Ultrahigh-Resolution 3D Human Brain Model Katrin Amunts et al.; Science, DOI: 10.1126/science.1235381; 2013