Pharmazeutische Hersteller, Apotheker und Ärzte: Korruption an allen Ecken und Enden? Schwarze Schafe ruinieren den Ruf einer ganzen Branche. Deshalb sollen freiwillige Selbstverpflichtungen für mehr Transparenz sorgen. Ob die Maßnahmen allein ausreichen, bleibt fraglich.
Jetzt ist es amtlich: Heilberufler vertrauen Studien, die von Arzneimittelherstellern gesponsert wurden, deutlich weniger. Bioethiker der Harvard Universität in Boston machten die Probe aufs Exempel und schickten Artikel über vermeintlich neue Wirkstoffe an Ärzte. Es gab etwa „Bondaglutaraz” zur Kontrolle des Blutzuckers, falls Metformin und Sulfonylharnstoffe nicht ausreichend wirken. „Lampytinib“ wurde als Lipidsenker angepriesen, besser verträglich als Statine. Und „Provasinab” stellten die Autoren als neues Arzneimittel zur Behandlung der Angina pectoris vor. Allerdings gab es eklatante Unterschiede bei der Qualität von Studien: Neben offenen Vergleichen präsentierten die Autoren randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien. Das Fazit: Mediziner verschrieben gut untersuchte Präparate drei Mal häufiger als Wirkstoffe mit schwacher Datenbasis. Falls Hersteller – vermeintlich – als Sponsor hinter einer guten Studie steckten, bewerteten Ärzte dies ähnlich rigoros wie methodisch schlechte Daten.
Doch wie gehen pharmazeutische Hersteller mit dem heiklen Thema um? Dazu hat PricewaterhouseCoopers (PwC) eine Untersuchung veröffentlicht. Die Unternehmensberatung befragte Mitte 2011 rund 830 Firmen, 36 waren aus der Pharmabranche. Anfang 2013 kamen weitere 50 Konzerne aus der Pharmabranche mit hinzu. Innerhalb dieser Zeit wurden drei von vier Unternehmen augenscheinlich vorsichtiger, was mögliche Verflechtungen angeht. Sie bewerteten Beraterverträge oder Gerätespenden als deutliches Risiko. Zu Beginn der Studie gab es nur bei jedem zweiten Befragten Bedenken. Maßnahmen zur systematischen Prävention suchte PwC in vielen Fällen aber vergebens. Trotz dieser Sensibilisierung hatte in 2011 nur jeder dritte Pharmahersteller Antikorruptionsprogramme vorzuweisen, branchenübergreifend waren es 59 Prozent. Und Compliance-Programme zur Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen sowie unternehmensinterner Regularien gab es lediglich bei 22 Prozent aller Unternehmen in der Pharmabranche (Vergleich: 46 Prozent). Trotz dieser miesen Quote waren 70 Prozent aller Befragten überzeugt, ihre Maßnahmen würden „vollkommen ausreichen“.
Grund genug für den Dachverband europäischer Pharma-Verbände (EFPIA), aktiv zu werden: Künftig soll ein Transparenzkodex Hersteller verpflichten, alle Zuwendungen öffentlich zu machen. In diese Kategorie fallen Beraterhonorare, Spenden, Geräte, aber auch Zuschüsse für Fortbildungsveranstaltungen. Laut EFPIA führe der Kodex zu Mindeststandards, die nationale Verbände künftig erfüllen müssten. In Deutschland haben sich Mitglieder des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa) bereits 2004 zur „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA) zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist, halbseidene Verflechtungen zwischen Ärzten, Apotheken und Firmen transparenter zu machen. Dazu greifen sie auf international gültige Standards zurück, etwa die „Joint Position on the Disclosure of Clinical Trial Information via Clinical Trial Registries and Databases“ oder die „Joint Position on the Publication of Clinical Trial Results in the Scientific Literature“. Ab 31. Dezember 2013 wird es dann ernst. Firmen haben anschließend zwölf Monate Schonfrist, dann werden Daten erfasst und ab 2016 veröffentlicht – im Web, versteht sich.
Während Transparency International von der „richtigen Richtung“ spricht und Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery das Vorgehen begrüßt, haben Oppositionsvertreter ihre Zweifel am Erfolg der neuen Strategie. „Die Pharmaindustrie scheint zu befürchten, dass es zu ernsthaften Schritten gegen Korruption im Gesundheitswesen kommen könnte“, sagt Martina Bunge von der Linken. Sie hält die Selbstverpflichtung zu mehr Transparenz für eine „durchschaubare und schwache Abwehrreaktion“. Verstöße gegen entsprechende Regularien stünden nicht unter Strafe, sondern würden allenfalls öffentlich angeprangert.
Ihre Kritik beruht auf einem umstrittenen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH): Vertragsärzte seien keine Beauftragten oder Amtsträger gesetzlicher Krankenkassen, argumentierte der Große Senat für Strafsachen. Das gilt streng genommen auch für Apotheker, um die es aber im Prozess nicht gegangen ist. Eine Pharmareferentin hatte niedergelassene Mediziner mit Geld geködert, falls sie Präparate ihres Auftraggebers bevorzugt verschreiben. Während besagte Mitarbeiterin schuldig gesprochen wurde, können Heilberufler strafrechtlich nicht belangt werden, so das Fazit. Zusammen mit seinem Präventionsgesetz hat der Bundestag deshalb Regelungen zur Bekämpfung jeglicher Korruption im Gesundheitswesen beschlossen.
Künftig wird das V. Sozialgesetzbuch um folgenden, äußerst komplexen Passus ergänzt: „Leistungserbringer und ihre Angestellten oder Beauftragten dürfen keine Entgelte oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteile für sich oder Dritte als Gegenleistung dafür fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, dass sie andere Leistungserbringer oder Dritte bei der Verordnung von Leistungen, der Zuweisung an Leistungserbringer, der Abgabe von Mitteln oder der sonstigen Veranlassung von Leistungen für die Untersuchung oder Behandlung von Versicherten nach diesem Buch in unangemessener unsachlicher Weise begünstigen oder bevorzugen.“ Lange Rede, kurzer Sinn: Ärzte und Apotheker haben künftig bei der Annahme kleiner oder größerer Geschenke ein ernstes Problem. Dazu gehören auch Patientenzuweisungen oder Rezeptzuweisungen gegen Entgelt. Selbst wenn zwischen Praxis oder Klinik und Apotheke Instanzen zwischengeschaltet werden, ist das Vorgehen nicht legal. In einem derartigen Fall hat das Oberlandesgericht Karlsruhe eine Service-GmbH verurteilt, gegen das Apothekengesetz (§ 11) verstoßen zu haben. Sie hat Rezepte vorab per Fax an Partnerapotheken geschickt, während Kunden mit dem Originalrezept ihre Präparate dann vor Ort abholen mussten.
Doch zurück zum Bundestag: Während Union und Liberale die neuen Regelungen begrüßen, kritisieren Sozialdemokraten, dass es keine Änderungen im Strafgesetzbuch gab. Vielmehr würden neue Passagen im Sozialgesetzbuch „versteckt“. Eine Ablehnung durch den Bundesrat gilt deshalb als recht wahrscheinlich.