Meist erhalten Patienten mit gastroösophagealer Refluxkrankheit (GERD) als Standardtherapie Protonenpumpenhemmer. Chirurgische Interventionen haben an Bedeutung verloren – zu Unrecht, wie Studien jetzt zeigen. Darüber hinaus sollten Betroffene ihren Lebensstil kritisch hinterfragen.
Gastroösophagealer Reflux – viel mehr als lästiges Sodbrennen: Bei rund 1,3 Prozent aller Erwachsenen kommt es durch die Krankheit zur metaplastischen Umwandlung des Epithels der Speiseröhre, bei übergewichtigen Männern jenseits der 50 sind sogar 13 Prozent betroffen. Innerhalb von nur zwei Dekaden haben sich entsprechende Zahlen versechsfacht, heißt es von der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen. Onkologen bewerten eine Barrett-Schleimhaut als Risikofaktor für Adenokarzinome und fordern, Reflux frühzeitig zu behandeln. Meist kommen Protonenpumpenhemmer (PPI) zum Einsatz – und zwar relativ kritiklos.
Deren Verordnungszahlen steigen Jahr für Jahr um 15 bis 20 Prozent – mittlerweile auf rund drei Milliarden Tagesdosen. Durch den OTC-Switch von Omeprazol sind Präparate für eine kürzere Therapiedauer auch ohne Rezept in Apotheken erhältlich. Bei GERD-Patienten helfen Pharmaka jedoch nicht immer. Schwedische Ärzte zeigten die Problematik speziell bei Laryngitis gastrica, einer Schleimhautentzündung in Kehlkopf und Rachen, auf. Von 122 Studienteilnehmern hatten 63 Prozent vier Jahre nach der Diagnose immer noch Sodbrennen – trotz leitliniengerechter Pharmakotherapie mit PPI. Jeder Dritte steigerte eigenmächtig die Dosierung entsprechender Präparate. Die Autoren fordern als Konsequenz, nicht sofort den Rezeptblock zu zücken, sondern das Krankheitsbild durch eine Gastroskopie abzuklären.
Sollten Ärzte allzu häufig endoskopieren, steht schnell der Vorwurf einer Überdiagnose im Raum. Statistisch gesehen beträgt das jährliche Risiko für Reflux-Patienten jenseits der 50, Karzinome zu entwickeln, gerade einmal 0,04 Prozent. Wer bei GERD auf eine Untersuchung verzichtet, riskiert jedoch, mögliche Präkanzerosen zu übersehen und rechtzeitig abzutragen. Mit diesem Spannungsfeld haben sich US-amerikanische Gastroenterologen befasst. Sie raten, bei Alarmsymptomen wie Gewichtsverlust, Blutungen, wiederholtem Erbrechen oder Schmerzen möglichst rasch zu endoskopieren. Sollten PPI nach acht Wochen keinen Effekt gezeigt haben, lohnt eine gründliche Untersuchung ebenfalls. Als „Kann-Kriterien“ kommen vor allem bei Männern neben dem Alter Risikofaktoren wie Rauchen und ein hoher BMI mit hinzu.
Seit pharmazeutische Hersteller H2-Antihistaminika und später Protonenpumpenhemmer auf den Markt gebracht haben, ist es um chirurgische Interventionen vergleichsweise still geworden – zu Unrecht, wie eine aktuelle Arbeit zeigt. Britische Gastroenterologen untersuchten den Mehrwert einer laparoskopischen Fundoplicatio im Vergleich zur Pharmakotherapie. Hierbei wird der Magenfundus wie eine Manschette um den Mageneingang platziert. Dazu ein paar Studiendaten: Ärzte teilten 357 Patienten, die bereits erfolglos seit mehr als zwölf Monaten PPI eingenommen hatten, randomisiert in zwei Gruppen ein: Fundoplicatio oder Pharmakotherapie. Zeitgleich befragten sie 453 GERD-Patienten nach ihrem Wunsch – und behandelten dementsprechend. Eingriffe waren langfristig betrachtet ein Erfolg: Nur 4,4 Prozent aller Patienten mussten innerhalb von fünf Jahren erneut unter das Messer. Auch traten in der OP-Gruppe Schluckstörungen oder Flatulenzen nicht häufiger auf als unter PPI. Demgegenüber schnitt eine Fundoplicatio laut Reflux-Score mit 100 Punkten um 11,5 Punkte besser ab als die Medikation. In der OP-Gruppe nahmen 44 Prozent aller Patienten nach wie vor PPI ein, in der Arzneimittel-Gruppe waren es 82 Prozent. Das Fazit: Gerade Patienten, die eine Langzeittherapie benötigen oder schwere GERD-Symptome zeigen, profitieren vom Eingriff.
Alternativ zur Fundoplicatio kommt das LINX-System infrage: ein flexibles Band aus miteinander verbundenen, titanummantelten Magneten. Gastroenterologen platzieren es minimalinvasiv am unteren Ösophagussphinkter. Beim Schlucken überwindet Nahrungsbrei diese Barriere, allerdings gibt es keinen Weg zurück. Jetzt liegen Daten von 100 Patienten vor, die an 13 Zentren in den USA ein magnetisches Band bekommen hatten. Bei allen Betroffenen zeigten PPI zuvor nicht den gewünschten Effekt. Postoperativ normalisierte sich der ösophageale pH-Wert bei zwei von drei Patienten, und typische GERD-Symptome verschwanden. In der Folge konnten 93 Prozent ihre PPI-Dosis um mindestens die Hälfte verringern. Zwar litten 68 Prozent kurz nach dem Eingriff an Schluckstörungen, drei Jahren später lag der Wert nur noch bei vier Prozent. Drei Patienten unterzogen sich einer Revisions-OP inklusive Entfernung des Magnetbands. Alle Probanden werden noch zwei Jahre nachbeobachtet. Um zu klären, ob das LINX-System einen Barrett-Ösophagus wirkungsvoll verhindert, wird die Zeit wohl kaum ausreichen. Dazu wäre auch eine Kontrollgruppe erforderlich. Allerdings erhoffen sich die Autoren weitere Informationen zu Langzeiteffekten, sprich zur Zahl möglicher Revisionseingriffe.
Chirurgische oder pharmakologische Interventionen sind nur ein Teil der Wahrheit. Änderungen im Lebensstil zeigen erstaunliche Resultate. Im Rahmen der Nord-Trøndelag-Gesundheitsstudie, einer prospektiven, populationsbasierten Kohortenstudie, werteten Forscher Informationen von 30.000 Probanden aus – die Datenbank selbst umfasst rund 120.000 Menschen. Studienteilnehmer, die rauchten und gleichzeitig unter GERD litten, profitierten vom Verzicht auf den blauen Dunst. Bei doppelt so vielen Patienten gingen die Beschwerden zurück, im Vergleich zur Gruppe mit Tabakkonsum. Übergewichtige hatten keinen Nutzen, allerdings gibt es auch hier Mittel und Wege: Wer abnahm, schlug dem Reflux ein Schnäppchen. Der Gewichtsverlust war sogar dosisabhängig mit einer Reduktion von GERD-Symptomen und einem erhöhten Behandlungserfolg durch Medikamente verbunden.