Viele Krebspatienten leiden unter den Nebenwirkungen einer Chemotherapie. Viele Betroffene vertrauen zusätzlich zu Medikamenten auf die magenberuhigende Wirkung der Ingwerwurzel. Bis jetzt war unklar, wie der Ingwer dort wirkt. Wissenschaftler konnten das Rätsel nun lösen.
Wem übel ist, der mag nichts essen. Für Krebspatienten kann das gefährlich werden. Nichts oder wenig zu essen, schwächt die ohnehin schon durch die Erkrankung mitgenommenen Patienten noch zusätzlich. In schweren Fällen muss der behandelnde Arzt sogar die Therapie abbrechen – selbst wenn der Tumor eigentlich auf die Medikamente anspricht. Für die Betroffenen ist dies eine besonders schwerwiegende Situation. Ausgelöst wird die Übelkeit durch die in den Chemo-Medikamenten enthaltenen Zellgifte. Diese greifen vor allem Zellen an, die sich häufig teilen – in erster Linie Krebszellen. Aber auch Darmzellen erneuern sich ständig und sind deshalb besonders anfällig für die Medikamente. Die geschädigten Zellen setzen den Botenstoff Serotonin frei. Dieser dockt an einen Rezeptor auf der Oberfläche von Nervenzellen an und aktiviert so das Brechzentrum im Gehirn. Die Folge sind Übelkeit und Erbrechen.
Heutzutage lassen sich die Begleiterscheinungen einer Chemotherapie sehr gut mit Medikamenten, den sogenannten Anti-Emetika, bekämpfen. Aber auch die natürlichen Wirkstoffe der Ingwerwurzel unterdrücken die Übelkeit: Bereits 2009 berichteten im Rahmen einer Studie US-Forscher, dass Ingwerextrakt die Beschwerden um 40 Prozent senken kann. Der wissenschaftliche Beweis für die Wirksamkeit der Wurzel stand bisher aus. Nun konnten die Wissenschaftler um PD Dr. Beate Niesler vom Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums in Heidelberg das Ingwer-Rätsel lösen. „Die Ingwerwurzel enthält eine Reihe von hochwirksamen Inhaltstoffen“, erklärt Niesler. Diese besetzen die Serotonin-Andockstellen auf den Nervenzellen. „Die Folge: Das Serotonin kann nicht mehr binden. Das Brechzentrum wird nicht aktiviert und die Übelkeit bleibt aus.“ Auf dieselbe Weise funktionieren auch die klassischen Anti-Emetika, die ebenfalls bestimmte Andockstellen auf den Nervenzellen besetzen. „Die Inhaltsstoffe des Ingwers sind sozusagen das natürliche Pendant zu den Wirkstoffen der Anti-Emetika“, so Niesler weiter.
Die Wissenschaftler hoffen, dass die Ingwerwurzel und ihre Inhaltsstoffe schon bald in klinischen Studien zum Einsatz kommen. Niesler erläutert: „Eine Kombination von Ingwerextrakt und Anti-Emetika wären eine starke Waffe gegen die von der Chemotherapie verursachte Übelkeit. Die Behandlung wäre doppelt wirksam.“ Originalpublikation: Ginger and its pungent constituents non-competitively inhibit activation of human recombinant and native 5-HT3 receptors of enteric neurons Beate Niesler et al.; Neurogastroenterology & Motility, DOI: 10.1111/nmo.12107; 2013