Pertuzumab ist seit März als Zusatztherapie für bestimmte Patientinnen mit fortgeschrittenem, HER2-positivem Brustkrebs zugelassen. Das IQWIG überprüfte in einer frühen Nutzenbewertung, ob der Wirkstoff gegenüber der bisherigen Standardtherapie einen Zusatznutzen bietet.
Patientinnen mit viszeralen Metastasen hätten demnach einen Überlebensvorteil. Allerdings seien Aussagen zu einem möglichen Schaden in Form von Nebenwirkungen aufgrund der unsicheren Datenlage nicht möglich. Das IQWiG sehe deshalb hier keinen Hinweis, sondern einen Anhaltspunkt für einen erheblichen Zusatznutzen. Für Patientinnen mit nicht viszeralen Metastasen und mit lokal rezividierendem Brustkrebs sei aus dem Dossier dagegen kein Zusatznutzen ableitbar.
Pertuzumab komme als Zusatztherapie für Patientinnen mit HER2-positivem Brustkrebs infrage, der Metastasen gebildet hat oder lokal erneut aufgetreten sei und nicht operiert werden könne. Zudem sollten die Patientinnen und Patienten bislang für diese Erkrankung keine Chemotherapie oder Behandlung erhalten haben, die sich gegen den HER2-Rezeptor richte. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) habe zwei Patientengruppen unterschieden und für diese verschiedene zweckmäßige Vergleichstherapien festgelegt: Trete ein HER2-positiver Brustkrebs erneut im Bereich der Brust auf (lokal rezividierend) und könne nicht operiert werden, solle Pertuzumab mit einer Strahlentherapie verglichen werden. Habe der Brustkrebs dagegen Metastasen gebildet, sei Pertuzumab einer Behandlung mit Trastuzumab und einem Taxan (Docetacel, Paclitxel) gegenüberzustellen. Dabei werde Pertuzumab jeweils kombiniert mit den Wirkstoffen Trastuzumab und Docetaxel.
Für die Bewertung standen die Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie, der Zulassungsstudie (CLEOPATRA), zur Verfügung. In diese Studie waren auch Patientinnen mit lokal rezividierendem Brustkrebs eingeschlossen. Allerdings weiche die Vergleichstherapie im Kontrollarm der Studie von der Festlegung des G-BA ab: Statt einer Strahlentherapie erhielten die Probandinnen und Probanden eine medikamentöse Therapie, bestehend aus Trastuzumab und Docetacel. Mangels Daten sei ein Zusatznutzen von Pertuzumab für diese Teilpopulation deshalb nicht belegt.
Bei Patientinnen mit metastasierendem Brustkrebs zeige sich in der Studie ein Vorteil in Hinblick auf das Gesamtüberleben. Allerdings hänge dieser davon ab, wo sich Absiedelungen gebildet hätten: Handele es sich um viszerale, also um Metastasen an den inneren Organen wie Lunge oder Leber, seien in der Vergleichsgruppe nach 51 Monaten Studiendauer deutlich mehr Frauen verstorben (44 %) als in der Pertuzumab-Gruppe (30 %). Das IQWiG gehe hier von einem Hinweis auf einen erheblichen Zusatznutzen aus. Bei nicht viszeralen Metastasen, bei denen also andere Organe wie Knochen oder Lymphknoten befallen waren, zeige sich dagegen kein Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen.
Für die Endpunkte gesundheitsbezogene Lebensqualität und Morbidität, also Symptome, Beschwerden und Komplikationen, habe der pharmazeutische Unternehmer in seinem Dossier keine beziehungsweise keine verwertbaren Daten vorgelegt.
Was einen möglichen Schaden von Pertuzumab betreffe, seien keine Aussagen möglich. Das liege vor allem daran, dass die Patientinnen in den beiden Studienarmen unterschiedlich lang behandelt und beobachtet wurden. Je länger eine Behandlung andauere, desto wahrscheinlicher sei es, dass Nebenwirkungen auftreten. Der Hersteller habe diesen Unterschied bei der Auswertung der Daten aber nicht angemessen berücksichtigt. Zudem habe er es versäumt, zu überprüfen, ob die Lokalisation der Metastasen auch bei den Nebenwirkungen einen Einfluss auf das Ergebnis habe. Ein größerer Schaden von Pertuzumab sei deshalb nicht auszuschließen und eine Aussage zum Schaden von Pertuzumab aufgrund der insgesamt unsicheren Datenlage nicht möglich.
Da das Ausmaß des Vorteils beim Überleben die Grenze von „beträchtlich“ zu „erheblich“ deutlich überschritten habe, gingen die Wissenschaftler nicht davon aus, dass der mögliche größere Schaden den Zusatznutzen insgesamt infrage stelle. Zugleich sähen sie aber eine erhöhte Unsicherheit, weil die Daten zum Schaden im Dossier nicht angemessen ausgewertet würden. In der Gesamtschau werde deshalb der Zusatznutzen in Hinblick auf seine Wahrscheinlichkeit von einem Hinweis auf einen Anhaltspunkt für einen erheblichen Zusatznutzen herabgesetzt. Für alle übrigen Patientengruppen, d. h. nicht viszerale Metastasierung und lokal rezidivierender Brustkrebs, sei ein Zusatznutzen nicht belegt.