Die Urlaubszeit ist vorbei und Ärzte besuchen wieder Fortbildungen. Ob es sich tatsächlich um neutrale Angebote handelt, kann man auf den ersten Blick nicht immer erkennen. Die Bundesärztekammer hat deshalb Kriterien zur Bewertung der Neutralität erarbeitet.
Für Vertragsärzte sind Fortbildungsveranstaltungen Pflicht. Wissenschaftliche Kongresse kosten viel Geld, die Ärzte eigentlich selbst bezahlen müssen, doch so manche Firma bezuschusst dies gerne. Kritisch wird die Sache, falls Konzerne Tagungsgebühren erstatten, ohne dass Ärzte konkrete Gegenleistungen wie einen Vortrag oder eine Posterpräsentation erbringen. „Dann stellt sich die Frage, ob es nicht stattdessen eine versteckte Gegenleistung gibt“, so Dr. Karsten Scholz, Justiziar der Ärztekammer Niedersachsen. Sprich: Der pharmazeutische Hersteller erwartet indirekt, dass bestimmte Präparate häufiger verordnet werden, und Ärzte rutschen in die Korruption. Wissenschaftliche Arbeiten bestätigen diesen Zusammenhang, wie DocCheck bereits berichtete. Kleinere oder größere Geschenke, dazu gehören bezuschusste CME-Kurse in opulenten Hotels inklusive Rahmenprogramm für Familienangehörige, verändern tatsächlich das Verschreibungsverhalten. Dies kann strafrechtliche oder berufsrechtliche Folgen nach sich ziehen. Nicht immer lässt sich die Einflussnahme auf Schulungen klar erkennen. Deshalb haben Standesvertreter ein paar Empfehlungen für Ärzte zusammengestellt. Mit rund 105 Millionne Euro (Stand Juni 2017) stehen Fortbildungen und Vortragshonorare an zweiter Stelle der Ausgabenliste pharmazeutischer Hersteller. Da es keine Meldepflicht gibt, dürfte der wahre Betrag deutlich höher liegen. Grafik © FSA
Das Programm kritisch ansehen: Kollegen sollten noch vor der Anmeldung prüfen, ob tatsächlich medizinisch-wissenschaftliche Aspekte im Fokus stehen. Niemand wird Verständnis dafür haben, falls ein Arzt häufiger an derselben Veranstaltung an jeweils anderen Orten teilnimmt. Es gibt auch keine Argumente, warum Fortbildungen mit Experten aus Deutschland unter Spaniens Sonne stattfinden. „Wir haben kürzlich einer Hausärztin von der Teilnahme an einem Masterclass-Meeting in Madrid abgeraten. Sie sollte dort für drei Tage hinfliegen, um sich zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern fortzubilden“, so Scholz. „Wir haben uns gefragt, ob man das nicht auch vor Ort lernen kann.“ Touristische Rahmenprogramme ohne Bezug zum Thema werden ähnlich kritisch bewertet. Geht es um den fachlichen Austausch, sprich „Social Events“, sind Rahmenveranstaltungen legitim, so lange ein gewisses Maß gewahrt bleibt. Es muss schließlich nicht der Sterne-Koch im Fünf-Sterne-Hotel zu Tisch bitten. Die Ausgaben (zumindest teilweise) selbst tragen: Standesvertreter warnen vor Veranstaltern, die alle Kosten übernehmen. Tagungsgebühren, Kost und Logis stellen kein Problem dar, falls sich die Organisatoren im „angemessenen Rahmen“ bewegen. Ansonsten sollte man die Großzügigkeit hinterfragen. Wer auf Freizeitaktivitäten, „Verlängerungstage“ oder sportliche Aktivitäten nicht verzichten will, hat eine simple Möglichkeit: „Wenn die Zusatzkosten selbst getragen werden und keine Abwicklung über das Kongressbüro erfolgt, ergeben sich keine zusätzlichen Risiken“, erklärt Scholz. Auf Transparenz des Anbieters achten: Unterstützung von Dritten ist nicht generell verboten. „Die (Muster-)Berufsordnung bestimmt, dass das Sponsoring, dessen Bedingungen und Umfang bei der Ankündigung und Durchführung der Veranstaltung offen zu legen sind“, so Scholz weiter. Kurzfristige Informationen sind meistens nur über die Kongress-Homepage abrufbar. Ansonsten lohnt auch ein Blick auf das Kleingedruckte im Flyer. Referenten sollten im Vortrag selbst keine Produkte, sondern Wirkstoffe nennen. Gleichzeitig fordert die BAK Ärzte auf, hellhörig zu werden, falls Experten Interessenkonflikte angeben. Dies solle bei der Bewertung von Inhalten und Handlungsempfehlungen berücksichtigt werden. Transparenz ist auch hier das zentrale Thema. Scholz: „Es wäre nicht in Ordnung, wenn der Referent die entsprechende Vortragsfolie nur für Sekundenbruchteile zeigt.“ Das eigene Verhalten kritisch hinterfragen: Nach Abschluss einer Veranstaltung empfehlen BÄK-Experten, sich selbst einen Spiegel vorzuhalten. Hat sich das eigene Verschreibungsverhalten verändert? Falls ja, gibt es dafür gute Gründe, sprich belastbare Datenquellen? Oder werden diagnostische Alternativen eher ausgeblendet? Nach dieser Selbstbewertung sind Kollegen in der Pflicht, eventuell gegenzusteuern. Daten an die FSA melden: Ärzte können sich an der Transparenzinitiative der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) beteiligen. Die Höhe der Zuwendungen für die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen wird dann veröffentlicht. Gesetzliche Verpflichtungen gibt es nicht, was als wesentlicher Schwachpunkt dieses Instruments gilt. Auch die Darstellung in Laienmedien kann einzelne Kollegen schnell in ein schräges Licht rücken. Gesponserte Veranstaltungen generell meiden? Die Kriterien zeigen, dass BÄK-Vertreter gesponserte Fortbildungsveranstaltungen nicht generell ablehnen. Vertreter der Initiative MEZIS geben sich damit nicht zufrieden. In ihrer „Augsburger Erklärung“ fordern sie, die CME-Zertifizierung industriefinanzierte Fortbildungen komplett zu stoppen. Gleichzeitig nehmen sie Fachgesellschaften, Berufsverbände und Standesvertretungen in die Pflicht, stärker als bisher unabhängige Kurse anzubieten. Es könne schon wichtig sein, dass Hersteller Ärzten Einweisungen für bestimmte Geräte gäben, räumt Dr. Niklas Schurig von MEZIS ein. „Dann sollte es aber auch keine CME-Punkte dafür geben.“