Am 22. September werden auch Apotheker wieder zur Wahl gehen. Viele Wahlprogramme erwähnen öffentliche Apotheken nur am Rande. Umso erstaunlicher, dass Krankenkassen mit eigenen Forderungskatalogen für die nächste Legislaturperiode an den Start gehen.
Apotheker stehen für die qualitative hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, darüber sind sich Politiker aller Couleur einig. Bei Detailfragen ist es mit dem Konsens schnell vorbei. Während sich Schwarz-Gelb im Lichte des Apothekennotdienstsicherstellungsgesetzes (ANSG) oder der höheren Fixhonorare sonnt, fordert die Linke eine bessere Vergütung für Rezeptsammelstellen. Und Gesundheitspolitiker der Grünen beurteilen packungsbezogene Vergütungssysteme als nicht mehr zeitgemäß.
Darüber hinaus beschäftigen sich alle Parteien mit dem Fremd- und Mehrbesitzverbot. Unionspolitiker setzen weiterhin auf unabhängige, inhabergeführte Apotheken, ohne am bestehenden System zu rütteln. Ähnliche Ansichten haben sowohl die FDP als auch die Linke im aktuellen Wahlkampf. Nur für die Grünen stellen Organisationsformen und Besitzverhältnisse keine besonderen Kriterien dar: „Die FDP predigt Marktwirtschaft, verteidigt aber die Gebietsmonopole von Apotheken und Stromkonzernen“, lautet Jürgen Trittins Kritik. Er selbst will das eingeschränkte Mehrbesitzverbot für Apotheken gerne aufweichen. SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück, der vor einem Jahr noch gelästert hatte, „bei mir in Bad Godesberg sind im Umkreis von 300 Metern sechs Apotheken“, rudert mittlerweile zurück. Er respektiere und verteidige das Niederlassungsrecht. Änderungen am aktuellen Fremd- und Mehrbesitzverbot planen die Sozialdemokraten nicht.
Patienten und Kollegen fragen sich auch, wie eine flächendeckende Versorgung funktionieren könnte. Hier berufen sich CDU/CSU und FDP auf ihr Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz – wohl wissend, dass längst nicht alle Probleme gelöst sind. Und so bringen Unionsvertreter erneut „mobile Lösungen“ in das Gespräch. Rollende Apotheken sind für die Linkspartei lediglich ein Notnagel. Vielmehr könnten neue, regionale Arztpraxen – so sie denn kommen – Landapotheken attraktiver machen. Bleiben als Alternative noch Rezeptsammelstellen mit angemessener Honorierung und mit Beratung durch pharmazeutisches Personal bei der Auslieferung. Über Versandapotheken lässt die Linke nicht mit sich reden – entsprechende Vertriebsformen sollten wieder abgeschafft werden, heißt es. Für die Grünen spielen neben Versandhandel und „rollenden Apotheken“ technische Lösungen eine wichtige Rolle: Warum nicht per Videokonferenz beraten? Gleichzeitig wird am Dispensierrecht gerüttelt. „So könnten zum Beispiel die Ärztinnen und Ärzte, die Notdienst haben, eine Arzneimittelnotkiste mit sich führen, die von einer Apotheke bestückt und kontrolliert wird“, heißt es im entsprechenden Wahlprüfstein. „Den Patientinnen und Patienten beziehungsweise ihren Angehörigen würden damit lange Fahrten zur Apotheke mit Nacht-/Notdienst erspart. Die Apotheken könnten die Zahl ihrer Notdienste reduzieren.“
Mit strukturellen Fragen wird es nicht getan sein, auch der Berufsstand selbst muss sich weiterentwickeln. Beim nächsten Apothekertag sind Diskussionen über ein neues Leitbild vorgesehen. Politische Parteien haben das Thema ebenfalls auf ihrer Agenda, bleiben aber sehr vage. Beispielsweise plant die Union, Abgrenzungen zwischen einzelnen Professionen und Institutionen kritisch zu überprüfen. Liberale setzen ebenfalls auf die bessere Zusammenarbeit unterschiedlicher Heilberufe. Die SPD wiederum ist an einem gesellschaftlichen Diskurs interessiert, um einerseits Patienten bestmöglich zu versorgen, andererseits aber auch langfristige Perspektiven für Inhaber zu schaffen. Einzig und allein die Grünen empfehlen, Apotheker bei der Primärversorgung besser zu integrieren. Ihr Patentrezept lautet nicht, Kollegen die Aufgaben von Ärzten zu übertragen, sondern Apotheker stärker in medizinische Behandlungsabläufe einzubinden. In diesem Zusammenhang geht die Linke auf profanere Probleme ein. Es sei nicht tragbar, dass PTA-Schüler und PKA-Auszubildende ihren Berufsabschluss häufig zu großen Teilen selbst finanzieren, während das Pharmaziestudium an den meisten Standorten ohne Gebühren möglich sei.
Neben strukturellen Aufgaben könnte eine neue Regierung auch das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz, kurz AMNOG, überarbeiten. Zuletzt sind Vergleichstherapien bei der frühen Nutzenbewertung in arge Kritik geraten. CDU, CSU und FDP sehen keinen Bedarf, sondern loben Transparenz und Wettbewerb durch die neue Preisgestaltung. Notwendige Klarstellung hätte es im Rahmen des dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften bereits gegeben. Sozialdemokraten wollen den Nutzen neuer Präparate stärker als bisher berücksichtigen. Die Linke bewertet das AMNOG zwar als Schritt in die richtige Richtung, kritisiert aber dessen Aushöhlung durch zu teure Vergleichstherapien. Änderungen am bestehenden System halten die Grünen für denkbar, stellen grundlegende Konzepte zur Preisfindung jedoch nicht infrage.
Die verschiedenen Positionen überraschen kaum. Umso erstaunlicher ist, dass sich vor der Bundestagswahl plötzlich andere Akteure zu Wort melden. Der GKV-Spitzenverband redet in einem Positionspapier Tacheles. Er bewertet die deutsche Apothekenlandschaft als „weitgehend wettbewerbsfreie Zone“. Deshalb sollten das Mehr- und Fremdbesitzverbot bei Apotheken abgeschafft sowie neue Vertriebswege eingeführt werden. Und weiter: „Für ein Verbot von Pick-up-Stellen besteht keine Notwendigkeit, der Versandhandel ist zu stärken, soweit für alle Vertriebswege die Sicherheit der Versorgung gewährleistet ist.“ Bleibt als Frage, ob Politiker eher auf GKVen oder auf die Apothekerschaft hören.
Grund genug für die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, ein neues Projekt zu initiieren: „Gesund wählen“. Kollegen sollen in allen 299 Wahlkreisen mit Kandidaten der großen Parteien über wichtigen Gesundheitsthemen sprechen: • Welche Maßnahmen trifft Ihre Partei gegen Qualitätsverluste bei der Gesundheitsversorgung? • Wie sollten Kompetenzen von Ärzten und Apothekern einbezogen werden? • Welchen Beitrag können Apotheken angesichts der Herausforderungen des demographischen Wandels leisten? • Welche Aufgaben sollten Kollegen künftig übernehmen? • Auf Apotheker kommen zahlreiche Herausforderungen zu – wie könnten diese bei der Honorierung berücksichtigt werden? • Wie gelingt es, im jeweiligen Wahlkreis Fachkräfte auszubilden beziehungsweise zu gewinnen? Entsprechende Statements landen auf der Plattform – als Information, aber auch als Gedächtnisstütze für Parteien. Die ABDA ist vom Erfolg ihrer Aktion überzeugt: Laut Forsa-Umfrage interessieren sich 44 Prozent der Deutschen „sehr“ und weitere 40 Prozent „etwas“ für Gesundheitspolitik. Für die Youtube-Videos zur Kampagne gelten entsprechende Zahlen nicht so ganz – etwas mehr als 300 User haben sich die Filmchen bislang angesehen.