Um lange Krankheitsausfälle vor allem bei Menschen mit psychischen Störungen zu vermeiden, schlägt der Marburger Bund eine neue Form der Bescheinigung vor. Es soll eine Lösung zwischen Krankschreibung und voller Einsatzfähigkeit geben.
Eine vom Arzt verordnete reduzierte Arbeitszeit könnte für Menschen mit psychischen Erkrankungen eine sinnvolle Alternative zur Krankschreibung (AU = Arbeitsunfähigkeit) darstellen. Durch die sogenannte „Arbeitsminderung“ besteht die Möglichkeit, für eine begrenzte Zeit weniger zu arbeiten. In einem Beschluss forderte der Deutsche Ärztetag 2018 den Gesetzgeber auf, die Grundlage für eine „vorübergehende Minderung der Arbeitsfähigkeit“ zu schaffen. In dem Schriftstück heißt es: „Speziell bei psychischen Störungen, insbesondere den Depressionen, gibt es wiederholt das Problem, dass eine Krankschreibung (AU) eher zu einer Verstärkung der Symptomatik führt und bezüglich der Heilung kontraproduktiv ist. Oft kommt auch die Angst um den Arbeitsplatz dazu.“ Ärzte sollten Patienten mit psychischen Erkrankungen verordnen können, dass sie nur ein paar Stunden am Tag arbeiten können – also deutlich weniger Stunden, als vertraglich vereinbart. „Tagesstruktur und Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen blieben so erhalten, die Gefahr einer sozialen Isolation wäre deutlich gemindert“, sagt Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes, in einem Interview mit der dpa. „Viele erkrankte Arbeitnehmer könnten wahrscheinlich schneller genesen und würden weniger lange dem Arbeitsprozess fernbleiben, wenn es nicht nur die Wahl zwischen Arbeitsfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit gäbe.“ Der am Dienstag erschienene Fehlzeitenreport 2018 der AOK zeigt, dass die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen in den letzten zehn Jahren um 67,5 Prozent angestiegen ist. Die Ausfallzeiten dieser Erkrankungen waren 2017 mit 26,1 Tagen je Fall mehr als doppelt so lange wie der Durchschnitt mit 11,8 Tagen je Fall. In seiner Forderung beschränkt sich der Deutsche Ärztetag aber nicht allein auf psychische Krankheiten. „Auch in anderen Fachgebieten sind Situationen häufig, in denen bereits zu Beginn der Behandlung statt einer Krankschreibung eine vorübergehend reduzierte Arbeitszeit sinnvoll wäre“, heißt es in dem Beschluss.