Wenn hormonsensible Brusttumore resistent gegen die Antihormontherapie wurden, mussten sich Brustkrebs-Patientinnen bisher einer Chemotherapie unterziehen. Ein Osteoporosemedikament könnte allerdings bald Abhilfe schaffen.
Tumore in der Brust werden häufig durch die weiblichen Geschlechtshormone zum Wachsen angeregt. Verantwortlich sind dafür vor allem Östrogene, aber auch Gestagene. Ob eine sog. Antihormontherapie bei einer Patientin erfolgversprechend ist, zeigt eine Untersuchung ihrer Tumorgewebeproben. Bei etwa 75 Prozent der Brustkrebspatientinnen ist das der Fall: Die Tumorzellen bilden Rezeptoren an der Oberfläche aus, an die die Geschlechtshormone Östrogen oder Progesteron andocken und so ein Wachstumssignal für die Zellen auslösen. Der Tumor wächst. Antihormone wirken auf zwei Wegen:
Tamoxifen und Aromatasehemmer werden bei hormonsensiblem Brustkrebs häufig eingesetzt. Indem sie die Östrogenrezeptoren des Tumors besetzen, blockieren sie die Wirkung der Geschlechtshormone. Da die Östrogenproduktion in den Eierstöcken von Aromatasehemmern nicht unterbunden wird, sind diese nur für Frauen nach der Menopause oder nach operativer Entfernung oder medikamentöser Blockade der Eierstöcke geeignet. Während der Antihormontherapie kann es allerdings zu medikamentenresistenten Tumoren kommen. Dann kann den Patientinnen meist nur noch eine belastende Chemotherapie helfen.
Doch nun scheint es neue Hoffnung für betroffene Frauen zu geben: Ein Osteoporose-Medikament soll, laut einer vom Hersteller Pfizer gesponserten Studie des Duke Cancer Instituts in Durham, USA, das Wachstum von Brustkrebszellen sogar in medikamentenresistenten Tumoren stoppen. Im Juni dieses Jahres stellten die beteiligten Wissenschaftler ihre Ergebnisse auf dem jährlichen Endocrine Society Meeting in San Francisco vor. Demnach soll der Wirkstoff Bazedoxifene den Brustkrebszellen nicht nur Östrogene zum Wachstum entziehen, er soll den Östrogenrezeptor sogar zerstören. Bazedoxifene ist seit 2011 in der EU zur Behandlung von postmenopausalen Frauen mit erhöhter Frakturgefahr durch Osteoporose zugelassen. In Tierversuchen und Zellkulturstudien konnte Bazedoxifene das Wachstum von östrogen-abhängigen Brustkrebszellen und von Zellen, die resistent gegen die Anti-Östrogene Tamoxifen und/oder Aromatasehemmer waren, stoppen, wie die Studienautoren berichten.
Bazedoxifene gehört wie Tamoxifen zur Klasse der selektiven Östrogenrezeptormodulatoren (SERM). Seit einiger Zeit ist bekannt, dass SERM nicht alle Östrogenrezeptoren hemmen. Man unterscheidet Östrogenrezeptoren vom Alpha- (ERα) und Beta-Typ (ERβ). Die ERα-Rezeptoren finden sich in der Brust, der Gebärmutter, der Hypophyse und im Hypothalamus. Die ERβ-Rezeptoren sind dagegen in den Knochen, Gefäßen, dem Hippocampus und höheren Zentren des Zentralnervensystems zu finden. Bazedoxifene blockiert und degradiert Östrogenreztoren im Brust- und Gebärmuttergewebe. Paradoxerweise übernimmt der Wirkstoff im Knochengewebe ganz andere Funktionen. Dort wirkt Bazedoxifene wie Östrogen und verhindert den Knochenabbau. Anders als Tamoxifen gehört Bazedoxifene außerdem zu einer neuen Gruppe von Wirkstoffen, die als “Selective Estrogen Receptor Degraders“ bezeichnet werden - also Stoffe, die selektiv Östrogenrezeptoren abbauen. „Wir haben herausgefunden, dass Bazedoxifene an den Estrogenrezeptor bindet und seine Aktivität beeinflusst, aber das Überraschende war, dass es den Rezeptor sogar abbaut“, äußerte sich dazu der Seniorautor der Studie Donald McDonnell, der einen Lehrstuhl am Duke Cancer Instituts in der Abteilung Pharmakologie und Tumorbiologie inne hat, in einer Pressemeldung.
Durch den Abbau des Östrogenrezeptors könnte auch das Problem der resistenten Tumore umgangen werden. „Man nahm bisher an, dass wenn eine Brustkrebszelle erst einmal resistent gegen Tamoxifen sei, dass dann alle Wirkstoffe, die auf den Estrogenrezeptor abzielen, wirkungslos seien“, erklärt McDonnell. „Wir haben das Gegenteil zeigen können: Der Östrogenrezeptor bleibt ein gutes Target, auch wenn die Zelle gegen Tamoxifen resistent ist“, so McDonnell weiter. “Da Bazedoxifene den Estrogenrezeptor als Target abbaut, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Krebszelle resistent wird, da ja das Target fehlt“, ergänzt Dr. Suzanne Wardell, Wissenschaftlerin in McDonnells Forschungsteam. Die Wissenschaftler untersuchten verschiedenartige Brustkrebszellen, wie auch tamoxifen-sensitive Zellen, die resistent gegen den Wirkstoff Lapatinib waren. Dieser kommt bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs zum Einsatz, deren Tumor eine Mutation im HER2-Gen aufweisen. Die Brustkrebszellen dieser Frauen können ihren Östrogenstoffwechsel wieder aktivieren, um eine Resistenz gegen Lapatinib auszubilden. Auch das Wachstum dieser Zellen konnte Bazedoxifene im Tierversuch effektiv stoppen.
„Da das Medikament in der EU bereits zur Behandlung von Osteoporose zugelassen ist, könnte es in naher Zukunft auch Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs und therapieresistenten Tumoren zugute kommen“, so Wardell. Bazedoxifene könnte oral verabreicht werden. Anders als andere Antihormone soll der Wirkstoff keine Hitzewallungen bei den Patientinnen hervorrufen. Es gab allerdings auch Hinweise auf ein erhöhtes Thromboserisiko unter Bazedoxifene. Klinische Studien, die die Zulassung von Bazedoxifene um die Indikation Brustkrebs erweitern würden, wurden vom Hersteller bisher noch nicht unternommen. „Wie Sie sicher vermuten, haben wir und zahlreiche interessierte Patienten Pfizer dazu aufgefordert, die nötigen Studien in Gang zu bringen”, so Wardell gegenüber DocCheck. Ob Pfizer reagiert, bleibt abzuwarten.