Menschen, die über einen längeren Zeitraum einer höheren Feinstaubkonzentration ausgesetzt sind, haben ein größeres Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Diesen Zusammenhang haben nun Forscher in einer der größten Studien zum Thema nachgewiesen.
Dazu wurden Daten aus 17 europäischen Kohortenstudien mit insgesamt über 300.000 Probanden ausgewertet. Dank Krebsregistern konnten die Wissenschaftler entsprechende Erkrankungen in den Kohorten über viele Jahre nachvollziehen. Ergebnisse der von der Universität Utrecht (Niederlande) koordinierten Studie „European Study of Cohorts for Air Pollution Effects“ (ESCAPE) sind jetzt in der Fachzeitschrift “The Lancet Oncology” erschienen. Luftverschmutzung durch Feinstaub entsteht durch Autoabgase, Verbrennungsprozesse in der Industrie und Hausbrand. Je kleiner die Feinstaubpartikel sind, desto eher werden sie über die Atemwege aufgenommen und können bis in die Lunge und Blutbahn gelangen. In Europa dürfen Feinstaubteilchen mit einem Durchmesser von bis zu zehn Mikrometern (PM10) einen Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht überschreiten. Ziel der Forscher war es, die durchschnittliche Konzentration von Feinstaub und Stickoxiden möglichst genau zu bestimmen. Deshalb sind an den Studienzentren (Schweden, Dänemark, Norwegen, in den Niederlanden, Österreich, im Vereinigten Königreich, Italien, Spanien und Griechenland) spezielle Messstationen aufgebaut worden. Ulmer Wissenschaftlerinnen waren für die Auswertung der Daten aus Vorarlberg zuständig: „Wir haben ausgehend von den Messdaten ein so genanntes Landnutzungsmodell berechnet und konnten so die durchschnittliche Luftverschmutzung über mehrere Jahre für die Adressen im untersuchten Gebiet quantifizieren“, erklärt die beteiligte Wissenschaftlerin Gudrun Weinmayr.
Für die Vorarlberger VHM&PP Kohorte (Vorarlberg Health Monitoring and Promotion Program) konnten zuverlässige Angaben aus verschiedenen Quellen zusammenführt werden: Diese Daten wurden zum Beispiel mit dem örtlichen Krebs- und Mortalitätsregister abgeglichen. Eventuelle Störfaktoren wie das Rauchen, die Ernährung und der soziale Status waren für ESCAPE-Kohorten bekannt und wurden bei der statistischen Auswertung berücksichtigt. Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: Bereits eine Feinstaubkonzentration unterhalb des europäischen Grenzwerts erhöht die Wahrscheinlichkeit, an Lungenkrebs zu erkranken. Ein Zusammenhang zwischen der Stickoxidkonzentration und Krankheitsfällen ließ sich nicht nachweisen. Von den Studienteilnehmern entwickelten in 13 Jahren 2.095 Personen einen Lungenkrebs. Besonders oft wurde ein so genanntes Adenokarzinom diagnostiziert – ein Krebs, der auch bei Nichtrauchern auftritt.
Gemäß der Studiengruppe führt bereits eine um zehn Mikrogramm erhöhte Konzentration von PM10-Teilchen zu einem um 22 Prozent erhöhten Lungenkrebsrisiko. „Wir können allerdings keinen Schwellenwert für eine Gesundheitsgefährdung durch Feinstaub festlegen. Generell gilt, auch unter 40 Mikrogramm pro Kubikmeter: Je weniger, desto besser“, sagen Gudrun Weinmayr und Gabriele Nagel. Originalpublikation: Air pollution and lung cancer incidence in 17 European cohorts: prospective analyses from the European Study of Cohorts for Air Pollution Effects (ESCAPE) Gudrun Weinmayr et al.; The Lancet Oncology, doi: 10.1016/S1470-2045(13)70279-1; 2013