Ein Briefwechsel der besonderen Art: Kollegen erhofften sich von Friedemann Schmidt Antworten auf dringende Fragen des Berufsstands. Der ABDA-Chef wich gekonnt aus und erntete postwendend das nächste Schreiben.
Gleich zu Beginn seiner Amtszeit überraschte ABDA-Chef Friedemann Schmidt mit einer ungewöhnlichen Aktion. Im Januar traf er sich mit Protestapothekern zum gemeinsamen Austausch. Es ging um mehr Transparenz, um bessere Möglichkeiten, die Basis einzubinden – aber auch letztlich um einen Dialog. Was vielversprechend begann, geriet schnell ins Stocken. Grund genug für Protestapotheker, einen offenen Brief an Friedemann Schmidt zu schreiben – mit brisantem Inhalt. Kollegen wollen wissen, warum diverse Zukunftsthemen nicht bearbeitet werden.
Schmidt antwortete umgehend. Wann es „Apotheker 2.0“ mit neuen Kompetenzen gibt, kann auch er nicht sagen. „Die Apothekerschaft beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der Neuausrichtung des Berufs und dem Ziel, mehr Verantwortung für Apotheker in der Arzneimittelversorgung zu erreichen“, so seine Einschätzung. Er sieht zwar Fortschritte, das Ziel sei aber keinesfalls erreicht. Auch hätten Kollegen langjährige Erfahrung darin, „Frontalangriffe“ abzuwehren. Schmidt: „Es gab und gibt immer politische und gesellschaftliche Kräfte, die es sich zum Ziel gesetzt haben, unsere Berufsausübung, das Eigentum an unseren Apotheken, die Apothekenpflicht und unsere heilberuflichen Grundwerte infrage zu stellen.“ Entsprechende Strömungen konnten sich aber nicht durchsetzen – „zweifellos ein Ergebnis erfolgreicher Berufspolitik, welches manche Kolleginnen und Kollegen angesichts der Mühen des apothekerlichen Alltages gelegentlich aus dem Blick verlieren“.
Darüber hinaus wollten Apotheker wissen, was die ABDA gegen Angriffe von Krankenkassen zu unternehmen gedenke. „Dass nun der GKV-Spitzenverband in seinem Positionspapier zur Bundestagswahl sich ausgerechnet zum Fürsprecher eines von der Zeit überholten simplifizierenden Pseudoliberalismus macht, ärgert mich ebenso wie Sie“, schreibt Friedemann Schmidt. „Ich halte es allerdings, anders als Sie das offenbar tun, für wenig sinnvoll, dem praktisch ohne mediale oder politische Resonanz gebliebenen Papier durch lautes Gezeter unverdiente Aufmerksamkeit zu verschaffen.“ Diesen Fehler hätten Kollegen in der Vergangenheit schon mehrfach gemacht.
Ein weiterer Dauerbrenner: Mit dem ABDA-KBV-Modell versuchen Spitzenverbände, die Versorgungssituation von Patienten zu verbessern. Als zentrale Elemente sehen Pharmazeuten eine Wirkstoffverordnung, einen Medikationskatalog sowie ein Medikationsmanagement. Während das Projekt ins Stocken geraten ist, schlossen der Verband der Ersatzkassen (vdek) und der Hausärzteverband Sachsen-Anhalt einen neuen Vertrag ab. Vorgesehen ist unter anderem – Überraschung – ein Medikationsmanagement, und zwar ohne Apotheker. Friedemann Schmidt kann den Vorwurf, Kollegen würden schrittweise ausgeschlossen, nicht nachvollziehen. Der „Medicheck“ sei auch nur ein „weiterer von vielen untauglichen Versuchen des Hausärzteverbandes und einzelner Krankenkassen, das Zukunftsthema zu besetzen.“ Für den ABDA-Chef ist allerdings auch klar, dass Apotheker keinen Monopolanspruch auf dieses Tätigkeitsfeld haben. „Unser Vorsprung liegt in der Einbeziehung der Selbstmedikation und unserem im Vergleich zur Arztpraxis niedrigschwelligeren Zugang.“
Mehr Leistung bedeutet aber auch, über neue Honorarmodelle nachzudenken. Laut Schmidt sei es Aufgabe der Apothekerschaft, „Politik und Kassen von der ethischen Verpflichtung sowie der fachlichen und volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit der Leistung zu überzeugen und eine angemessene Vergütung zu erreichen“. Während Oppositionsparteien im aktuellen Wahlkampf über eine Abkehr von packungsbezogenen Vergütungen nachdenken, wird dies von der ABDA weder erwogen noch angestrebt. Schmidt: „Uns geht es um eine Ergänzung des bisherigen Vergütungssystems, um konkret leistungsbezogene Elemente“ mit dem Ziel, Anreize zum Ausbau wissensbasierter, pharmazeutischer Dienstleistungen zu schaffen.
Protestapotheker waren mit diesen Statements nicht wirklich zufrieden. Ihr Vorwurf an Schmidt: „Sie beantworten leider keine unserer berechtigten und ernst gemeinten Fragen, sondern liefern uns Allgemeinplätze, die keinerlei konkrete und später nachprüfbare Aussagen enthalten.“ Jetzt folgte ein Forderungskatalog. Um Zukunftsperspektiven greifbarer zu machen, ist die ABDA gefordert, ein Konzept zu erarbeiten, wo Kollegen in fünf oder zehn Jahren stehen möchten. Bei der aktuellen Diskussion zum Leitbild sollen nicht nur Delegierte mit eingebunden werden, sondern Apotheker an der Basis. Hier bietet sich eine Umfrage an, und zwar zeitnah, um entsprechende Resultate beim Apothekertag zu besprechen. In Zukunft sind auch innovative Strategien zur Vergütung gefordert: Packungszahlen, Fallzahlen, Zusatzleistungen oder vielleicht eine „Gebührenordnung für Apotheken“ (GOAp).
Bleibt noch eine Altlast: Obwohl sich die Hauptversammlung der ABDA bereits 2003 dafür ausgesprochen hatte, Apotheker in den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu entsenden, scheiterten entsprechende Pläne bislang am lieben Geld: Einerseits verlangt der G-BA sogenannte Systemzuschläge von Mitgliedern, andererseits erwartet die ABDA höhere Personalkosten im eigenen Hause. Momentan können lediglich pharmazeutische Stellungnahmen abgegeben werden, ohne an Entscheidungen direkt mitzuwirken. Im zweiten Schreiben an Friedemann Schmidt heißt es deshalb, die ABDA solle bis zum DAT ein Konzept erarbeiten, „mit welcher Personalie und mit welchem Budget eine Teilnahme der ABDA zukünftig im Gemeinsamen Bundesausschuss gesichert wird“. Finanzielle Ausflüchte lässt die Basis nicht mehr gelten: „Uns ist bekannt, dass die ABDA Finanzmittel in Höhe von rund 34-35 Millionen Euro im Rücken hat“, stellen Protestapotheker klar.
Viele Fragen, eine Forderung: „Wir erwarten diesmal eine adäquate Reaktion und die unverzügliche Umsetzung der Forderungen, damit bis zum DAT schon Ergebnisse zu sehen sind“, schreiben Protestler im zweiten Brief. Friedemann Schmidt ließ durchblicken, keine neuerliche Antwort zu verfassen. Das mag insofern erstaunen, als mehr und mehr Kollegen ein Mitspracherecht fordern. Das zweite Schreiben unterzeichneten immerhin 55 Apotheker. An der Basis wächst die Unzufriedenheit.