Bisherige Studien haben gezeigt, dass Schwangerschaftsabbrüche häufig mit einem erhöhten Risiko für spätere Frühgeburten verbunden waren. Eine neue schottische Kohohrtenstudie zeigt nun, dass moderne Abtreibungsmethoden dieses Risiko minimieren können.
Derzeit werden weltweit rund 40 Millionen therapeutische Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr durchgeführt. Bis in die 1980er Jahre wurden die meisten Abtreibungen in Form eines chirurgischen Eingriffs durchgeführt, in den letzten zwei Jahrzehnten überwiegen jene Schwangerschaftsabbrüche, die mittels Medikamente durchgeführt werden – überwiegend mit selektiven Progesteron-Rezeptor-Antagonisten, wie beispielsweise Mifepriston (RU 486) und Prostaglandinen – wodurch die Gebärmutter weniger in Mitleidenschaft gezogen wird. Obwohl chirurgische Eingriffe (Vakuumaspiration, Kürettage) nach wie vor durchgeführt werden, werden darüber hinaus Prostaglandine verabreicht, um eine Schädigung der Gebärmutter zu verhindern. Dadurch gelingt es immer häufiger das Frühgeburtenrisiko (vor einer Gestationszeit von 37 Wochen) nach einem früheren Schwangerschaftsabbruch zu reduzieren. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO gibt es weltweit 15 Millionen Frühgeburten pro Jahr, über eine Million Kinder sterben infolge einer Frühgeburt.
Eine kürzlich im Fachjournal „Plos Medicine“ veröffentlichte Kohortenstudie analysierte 732.719 Daten von Erstgeborenen ab der 24. Schwangerschaftswoche, die zwischen 1980 und 2008 in Schottland zur Welt kamen. Bei denjenigen Frauen, die einmal abgetrieben haben, lag das zukünftige Frühgeburtenrisiko um 17 Prozent höher, bei Frauen mit zwei Schwangerschaftsabbrüchen um 51 und bei Frauen mit drei oder mehr Schwangerschaftsabbrüchen um 64 Prozent höher als bei werdenden Müttern ohne Schwangerschaftsabbruch. Das größte Frühgeburtenrisiko wurde zwischen 1980 und 1983 mit einer Wahrscheinlichkeit von 32 Prozent errechnet. Zwischen 1984 und 1999 sank das Risiko einer Frühgeburt auf 20 bis 10 Prozent, seit dem Geburtsjahrgang 2000 konnten die Forscher kein erhöhtes Risiko mehr feststellen. Das Forscherteam um Gordon C. Smith von der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie der Universität Chambridge vermutet, dass der Frühgeburtenrückgang auf die verstärke Anwendung medikamentöser Schwangerschaftsabbruchmethoden zurückzuführen ist. So reduzierten sich zwischen 1992 und 2008 die ausschließlich chirurgisch vorgenommenen Abtreibungen von 31 auf 0,4 Prozent. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der ausschließlich medikamentös durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche von 18 auf 68 Prozent. Da bei vielen Abtreibungen genaue Daten über die angewendete Schwangerschaftsabbruchmethode fehlen, konnten die Forscher keinen direkten Nachweis liefern. „Wir vermuten aber, dass die modernen Abtreibungsmethoden eine effektive Langzeitstrategie sein können, um die weltweiten Frühgeburtenquoten zu reduzieren“, betont Smith. Die Analysen deuten darauf hin, dass die ausschließlich chirurgisch durchgeführten Eingriffe ohne medikamentöse Unterstützung für die früheren spontanen Frühgeburten verantwortlich waren.
Eine Studie der der Universitäten Greifswald, Rostock und der TU München aus dem Jahr 2008 “Zum Einfluss von vorausgegangenen Schwangerschaftsabbrüchen, Aborten und Totgeburten auf die Rate Neugeborener mit niedrigem Geburtsgewicht und Frühgeborener sowie auf die somatische Klassifikation der Neugeborenen“ zeigte, dass Abtreibungen, Fehlgeburten oder Totgeburten, das Risiko für eine anschließende Frühgeburt signifikant erhöhen. In der im Fachblatt „Geburtshilfe und Neonatalogie“ veröffentlichten Analyse werteten die Mediziner um Studienleiter Dr. Dr. Manfred Voigt vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald mehr als eine Million Erstlingsschwangerschaften der bundesweiten deutschen Perinatalerhebung der Jahre 1995 bis 2000 aus. Dabei wurden 882.213 anamnestisch unbelastete Mütter mit 52.630 Müttern verglichen, die einen (46.026) oder mehrere (6.604) Schwangerschaftsabbrüche durchführen ließen, mit 117.784 Müttern, die eine Fehlgeburt erlitten und 3.395 Müttern die ein oder mehrere tote Kinder zur Welt brachten. Nach Auswertung der Daten stellte sich heraus, dass die unbelasteten Frauen ein Frühgeburtenrisiko von 7,6% aufwiesen. Bei Frauen, die sich einer Abtreibung unterzogen, stieg das Frühchenrisiko auf 8,7 bei zwei oder mehreren Schwangerschaftsabbrüchen auf 10,1 Prozent. Damit erhöhte sich das Risiko für eine Frühgeburt bei einer einmaligen Abtreibung um fast 15 Prozent, bei zwei oder mehreren Abbrüchen um ein Drittel. Bei Frauen, die eine vorhergegangene Fehlgeburt erlitten haben, lag das Risiko einer anschließenden Frühgeburt bei 14,1%. Bei Frauen mit einer vorhergegangen Totgeburt lag das Risiko einer künftigen Frühgeburt bei 18,3 Prozent. „Um Untergewichtigkeit und Frühgeburtlichkeit Neugeborener senken zu können, ist es erforderlich, künftig den teilweise oder völlig ungeklärten kausalen Zusammenhängen mit vorausgegegangen Aborten bzw. Spontanaborten und Totgeburten bei Frauen nachzugehen und die ihnen zugrunde liegenden noch mangelhaft verstandenen pathophysiologischen Mechanismen aufzuklären“, forderte Voigt.
Laut WHO-Bericht „Born too soon: The Global Action Report on Preterm Birth“ aus dem Jahr 2012 kommt fast jedes zehnte Kind in der 37 Schwangerschaftswoche oder früher zur Welt. 84 Prozent der Frühgeburten (12,5 Millionen) erfolgen zwischen der 32 und 37 Schwangerschaftswoche. Den höchsten Wert hält das afrikanische Malawi mit 18,1 Frühgeburten auf 100 Geburten, gefolgt von Kongo (16,7%) und Zimbabwe (16,6%). In absoluten Zahlen liegt demnach Indien mit 3,5 Millionen Frühgeburten (13 Prozent) an erster Stelle. Aber auch in den USA mit zwölf und Österreich mit 10,9 Prozent liegt die Frühgeburtenrate im zweistelligen Bereich. Deutschland liegt laut WHO bei einer Frühgeburtenrate von 9,2 Prozent, in der Schweiz betrug die Frühgeburtenrate 7,4 Prozent. „Zu früh geboren zu werden ist ein unerkannter Killer“, sagte Studien-Co-Autorin Dr. Joy Lawn. Die Anzahl der Frühgeburten war in den letzten 20 Jahren in allen Ländern mit drei Ausnahmen steigend. „Rund 75 Prozent der Frühgeburten könnten in den Entwicklungsländern mit drei kostengünstigen Maßnahmen verhindert werden“, sagten UNO-Experten. Dazu gehören die Kangaroo-Technik (verstärkter Hautkontakt der Mutter zum Kind), Steroid-Injektionen, antiseptische Salben und der Einsatz von Antibiotika zur Vorbeugung von Infektionen.