Auch langfristig bringt der in der Kardiologie als „Goldstandard“ gesehene Einbau einer intraaorten Ballonpumpe (IABP) bei kardiogenem Schock nach einem akuten Herzinfarkt keine signifikanten Vorteile für die Patienten, so zumindest die Ergebnisse einer aktuellen Studie.
Im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht Prof. Dr. Holger Thiele aus der Klinik für Innere Medizin / Kardiologie des Herzzentrums Leipzig die Ergebnisse der Zwölf-Monate-Beobachtung zu seiner 2012 veröffentlichten Studie zum kardiogenen Schock. Mit dieser Langzeitauswertung beseitige man die Zweifel an der Allgemeingültigkeit der IABP-SHOCK II-Studie von 2012, so Studienleiter Professor Thiele und sein Team.
In der Multizenter-Studie unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der Deutschen Herzstiftung belegten die Wissenschaftler, dass durch den in den Leitlinien beschriebenen Einsatz einer speziellen Pumpe in der Hauptschlagader, der intraaorten Ballonpumpe (IABP), bei kardiogenem Schock nach akutem Herzinfarkt keine Reduktion der 30-Tage Sterblichkeit erzielt werden kann. Die Ergebnisse wurden im New England Journal of Medicine veröffentlicht und lösten in der Fachwelt große Diskussionen aus. Immerhin ist die IABP eines der ältesten kardiologischen Medizinprodukte, welches nun seit fast 50 Jahren millionenfach eingesetzt wurde. „Wie immer, wenn man etwas lange Bewährtes in Frage stellt, sind die Zweifel zunächst groß“, erklärt Prof. Thiele. „Das ist völlig normal und auch wir waren ja überrascht, dass die IABP-SHOCK II-Studie so klar gezeigt hat, dass die Pumpe keine Überlebensvorteile in der 30-Tage-Sicht bringt.“ Es sei daher unerlässlich gewesen, der kurzfristigen Betrachtung eine Langzeitauswertung folgen zu lassen. Diese, nun auf zwölf Monate ausgedehnte, Beobachtung der Patienten bestätigt die ursprünglichen Erkenntnisse. Die Mortalitätsrate über zwölf Monate bei den in die Studie eingeschlossenen Patienten mit IABP und der Gruppe ohne IABP weist keine signifikanten Unterschiede auf. „Diese Ergebnisse werden die Diskussionen innerhalb der Fachgesellschaften zur Änderung der Leitlinien bei kardiogenem Schock nach einem akuten Herzinfarkt weiter vorantreiben“, ist sich Holger Thiele sicher. Ungefähr 5-10 % der Patienten mit einem akuten Myokardinfarkt entwickeln einen Schock, was als kardiogener Schock bezeichnet wird. Der infarktbedingte kardiogene Schock ist immer noch der Hauptgrund für die Sterblichkeit von Patienten mit Herzinfarkt. Die Sterblichkeitsrate liegt hier zwischen 40-50 %, obgleich in den letzten Jahrzehnten mittels der modernen Medizin eine stetige Sterblichkeitsreduktion erreicht werden konnte. Derzeitige internationale Leitlinien empfehlen den Einsatz einer IABP zur Verbesserung der Herzdurchblutung durch Unterstützung des Blutdruckes und zur Entlastung der Herzarbeit.
Im Zeitraum von Juni 2009 bis März 2012 wurden 600 Patienten mit kardiogenem Schock als Folge eines Myokardinfarktes, die eine frühe Wiedereröffnung eines Gefäßes erhalten haben, an den über den gesamten deutschen Raum verteilten teilnehmenden Zentren für eine IABP oder alleinige optimale intensivmedizinische Therapie randomisiert, d. h. per Losverfahren einem Behandlungsarm zugeordnet. Der primäre Studienendpunkt, die 30-Tage Sterblichkeit war in beiden Studienarmen mit 39,7% im IABP-Arm und 41,3% im Kontrollarm vergleichbar. Genauso zeigte sich in keinem anderen untersuchten Endpunkt (Kreislaufparameter, Nierenfunktion, intensivmedizinische Behandlungstage, Beatmungstage, etc.) ein Vorteil für die IABP. Auf der anderen Seite wurden durch die IABP nicht mehr Komplikationen im Vergleich zur Kontrollgruppe induziert. Die gleichen 600 Patienten in beiden Kontrollarmen wurden nun nach den Kriterien 6-Monats-Sterblichkeit und 12-Monats-Sterblichkeit ausgewertet. Letztere lag in der IABP-Gruppe bei 51.8 % und in der Kontrollgruppe bei 51.4 %. Originalpublikation: Intra-aortic balloon counterpulsation in acute myocardial infarction complicated by cardiogenic shock (IABP-SHOCK II): final 12 month results of a randomised, open-label trial Holger Thiele et al.; The Lancet, doi: 10.1016/S0140-6736(13)61783-3; 2013