Der Herbst wird heiß: Beim Apothekertag rauchen bald wieder Köpfe, wenn Kollegen Anträge rund um die Apothekenbetriebsordnung, die Arzneimitteltherapiesicherheit und die Versorgungssituation diskutieren. Ein Novum: Erstmals fordern Kammern von ihrem Dachverband mehr Basisdemokratie.
Blick zurück – im Zorn: Der letzte Apothekertag war von Fragen zur gerechten Honorierung geprägt. Trotz höherer Fixpauschalen, neuer Notdiensthonorare und klarer Regelungen zum Kassenabschlag geht das Apothekensterben unvermindert weiter, berichten zahlreiche Landesapothekerkammern. Als mögliche Stellschrauben sehen sie einen zusätzlichen Obolus bei der Abgabe von BtMs nach § 7b Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Auch sollten Leistungen zum Medikationsmanagement fair entlohnt werden, fordern die Bayerische Landesapothekerkammer und der Bayerische Apothekerverband in einem Antrag. Kollegen der Apothekerkammer Nordrhein wünschen sich, dass bei Nichtabgabe verschreibungspflichtiger Medikamente eine Pauschale an Inhaber geht – schließlich haben sie Patienten ja beraten, sprich Leistungen erbracht. Und für Rezepturarzneimittel werden Zuschläge wie bei Fertigarzneimitteln (§ 3 AMPreisV) als Ergänzung empfohlen.
Doch was bringt alles Geld der Welt, wenn der berufliche Nachwuchs fehlt? In ihrem Antrag moniert die LAK Thüringen, es gäbe seit Jahren keine einheitlichen und zielgerichteten Kampagnen, um Jugendliche für den weißen Kittel mit rotem A zu begeistern – das Berufsbild sei weitestgehend unbekannt und gelte als „uncool“. Während Ärzte äußerst erfolgreich die Werbetrommel rühren, besteht bei Apothekern dringender Nachholbedarf, „bundesweit wahrnehmbare Zeichen“ zu setzen. Ob entsprechende Aktionen fruchten, sollten sich gesetzliche Rahmenbedingungen nicht ändern, ist fraglich. In diesem Zusammenhang stören sich viele Inhaber an der neuen Apothekenbetriebsordnung. Beispielsweise sprechen sich die LAKen Nordrhein und Brandenburg dafür aus, dass Behörden die Barrierefreiheit „mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der Bestandsinteressen“ beurteilen. Noch besser wäre, Regelung aus § 4 ApBetrO gleich ganz zu streichen. „Keinesfalls soll das Kriterium Barrierefreiheit die wirtschaftliche Existenz der Apotheken und die Betriebserlaubnis gefährden und zur Schließung von Apotheken führen“, heißt es in einem Antrag der AK Nordrhein.
Die ApBetrO legt Inhabern noch weitere Steine in den Weg, vor allem bei Defekturen. Aus Nordrhein heißt es, apothekenübliche Defekturmengen sollten bezüglich ihrer Herstellungs- und Prüfungsanforderungen Rezepturen gleichgestellt werden. Brandenburg und Thüringen haben das Konzept weiter konkretisiert: als „verlängerte Rezeptur“. Wer bis zu zehn abgabefertige Packungen herstellt, müsste zwar die Regularien von Rezepturen, aber nicht von Defekturen, beachten. Passagen aus § 7 ApBetrO (Plausibilitätsprüfung, Dokumentation von Patienten und verordnenden Ärzten) sollten ersatzlos gestrichen werden mit dem Ziel, mehr Zeit für pharmazeutische Kernkompetenzen zu haben. Schließlich profitieren gerade ältere, multimorbide Patienten von einem Medikationsmanagement.
Die Konkurrenz schläft aber nicht: Nachdem einzelne Krankenkassen und kassenärztliche Vereinigungen mit dem Thema liebäugeln, wird es Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Der Apothekerverband Nordrhein fordert deshalb Regierungsvertreter auf, „dem dringenden Handlungsbedarf in der Arzneimitteltherapiesicherheit mit gesetzlichen Maßnahmen Rechnung zu tragen“. Gesetzliche und private Krankenkassen sollten „die pharmazeutische Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker einbeziehen und angemessen honorieren“. Apropos Kompetenz: Ideal wäre, Inhalte zur AMTS fest im praktischen Jahr zu verankern, schreibt die Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Und bei Kunden ohne ärztliche Verschreibung?
Hier wünschen sich Kollegen schon lange größere Spielräume. Die Apothekerkammern Berlin und Westfalen-Lippe wollen jetzt vom Gesetzgeber rechtliche Grundlagen, um eine zeitnahe Versorgung zu garantieren, falls Ärzte nicht erreichbar sind – sprich am Wochenende oder am Mittwochnachmittag. Beide Antragsteller machen deutlich, ihre „Rx-Versorgung im Notfall“ schließe temporäre Versorgungslücken, etwa über die Abgabe einer Kleinpackung auf Basis vorhandener Dokumentationen. Levonorgestrel-Präparate sollen nach dem Vorbild anderer Länder als Notfallkontrazeptiva bald ganz aus der Verschreibungspflicht entlassen werden, heißt es weiter. Darüber hinaus wünschen sich Apotheker Erleichterungen für die Substitution von Präparaten während ihrer Dienstbereitschaft. Zwar sieht die ApBetrO in § 17 Absatz 5a Möglichkeiten zum Austausch vor. Andere Darreichungsformen sind momentan jedoch ausgeschlossen.
Pharmazeutische Kompetenzen bereichern nicht nur den HV – auch das neue Präventionsgesetz könnte von Apothekern profitieren. Derzeit kommen im Regelwerk lediglich die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sowie Krankenkassen und Vertragsärzte vor. Grund genug für Bremen und Nordrhein, vom Gesetzgeber Nachbesserungen zu fordern. Ein ähnlich heißes Eisen ist die Mitgliedschaft von ABDA-Vertretern im Gemeinsamen Bundesausschuss. Bislang bleibt es bei Stellungnahmen ohne eigenes Stimmrecht. Bereits im Jahr 2003 hatte die Hauptmitgliederversammlung deshalb eine Empfehlung zur aktiven Beteiligung ausgesprochen. Aus vermeintlicher Ressourcenknappheit lehnten ABDA-Spitzenvertreter dies jedoch ab. Jetzt machen Kollegen aus Nordrhein Druck.
Mit der ABDA befassen sich noch weitere Änderungsvorschläge. Nachdem im letzten Jahr einzelne Kollegen mehr Basisdemokratie gefordert hatten, haken Kollegen aus Nordrhein nach. Sie beantragen, dass zukünftig Delegierte des Apothekertags, des „bedeutendsten Gremiums zur Willensbildung innerhalb des Berufsstands“, den ABDA-Präsidenten und seinen Stellvertreter wählen. Diese Spitzenpositionen bekämen so mehr Durchsetzungskraft, eine breitere berufspolitische Legitimation und eine stärkere Akzeptanz, heißt es weiter. Sollte der Antrag Gehör finden, kommen auf die ABDA umfangreiche Satzungsänderungen zu.
Apotheker im Kammerbezirk Nordrhein empfehlen für ihre Spitzenvertreter eine Potenzialberatung durch externe, neutrale Dienstleister. Über Jahrzehnte hinweg prägten der Deutsche Apothekerverband (DAV) und die Bundesapothekerkammer (BAK) als tragende Säulen das Gesamtbild. „Mit den Veränderungen des politischen Umfelds und der wirtschaftlichen, sozialen, kommunikativen Rahmenbedingungen ist dennoch zu prüfen, inwieweit die derzeitige Struktur den aktuellen politischen Anforderungen an einen bundesweit operierenden Spitzenverband noch zeitgemäß beziehungsweise verbesserungsfähig ist“, lautet die Begründung. Ganz klar: Es wird heiß in Düsseldorf – pharmazeutisch, berufspolitisch und ökonomisch.