E-Zigaretten sind nach wie vor umstritten. Auf dem Weg in ein rauchfreies Leben können sie aber offenbar mindestens genauso hilfreich sein wie Nikotinpflaster – falls die EU den Herstellern keinen Strich durch die Rechnung macht.
E-Zigaretten verbreiten zwar keinen Rauch wie herkömmliche Glimmstängel, sind aber nicht weniger umstritten, wie DocCheck im Juni letzten Jahres berichtete. Seit 2006 können „Raucher“ auf diese Alternative zurückgreifen, auch wenn eine E-Zigarette eher Dampf als Rauch produziert. Im Inneren der Geräte wird ein Heizdraht durch einen Akku unter Spannung gesetzt. Auf Knopfdruck wird so bei 60 bis 120 Grad Celsius das vom Konsumenten ausgewählte Liquid verdampft. Liquids gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen, mit und ohne Nikotin. Viele Raucher herkömmlicher Zigaretten versuchen bereits mit Hilfe der elektrischen Verdampfer von ihrem Laster loszukommen. Ob das ein erfolgversprechender Ansatz ist, haben neuseeländische Wissenschaftler in einer aktuellen Studie untersucht. Ihre Ergebnisse stellten sie im renommierten Fachmagazin „The Lancet“ vor. Nicht ganz beabsichtigt brachte die Studie gleich mehrere Erkenntnisse zutage, aber der Reihe nach …
Zunächst rekrutierten die Wissenschaftler 657 erwachsene Raucher, die entschlossen waren, ein rauchfreies Leben zu beginnen. Voraussetzung für die Studienteilnahme war außerdem, in den letzten 10 Jahren mindestens zehn Zigaretten täglich geraucht zu haben. Die aufhörwilligen Raucher wurden in drei Gruppen unterteilt: Gruppe 1 rauchte E-Zigaretten ohne Nikotin, Gruppe 2 E-Zigaretten mit 16-Milligramm Nikotinkartuschen. Eine Untersuchung zeigte, dass 300 Züge an einer so bestückten E-Zigarette so viel Nikotin enthalten wie etwa fünf gewöhnliche Zigaretten. Gruppe 3 erhielt täglich zu wechselnde Nikotinpflaster mit jeweils 21 Milligramm Nikotin. Nach 12 Wochen sollten die Probanden ohne Hilfsmittel in einen nikotinfreien Alltag starten. Während der Studienzeit konnten alle Teilnehmer außerdem bei Bedarf einen unterstützenden Telefonservice in Anspruch nehmen und nach 6 Monaten prüften die Forscher, wie viele Probanden tatsächlich mit dem Rauchen aufgehört hatten.
Die wohl eindringlichste Erkenntnis, die alle Beteiligten aus der Studie ziehen mussten: Das Rauchen aufzugeben ist offenbar schwieriger als vermutet. Mehr als ein Fünftel der Studienteilnehmer schied bereits vor Studienende aus. Sechs Monate nach Studienbeginn hatten von den „Placebo-Dampfern“ (Gruppe 1) gerade mal 4,1 % durchgehalten, bei den Nikotinpflaster-Verwendern waren es 5,8 %. Die E-Zigaretten-Dampfer waren zwar mit immer noch schlappen 7,3 % Durchhaltern am erfolgreichsten, weil jedoch insgesamt so wenige Studienteilnehmer standhaft geblieben waren, erhielten die Wissenschaftler keine statistisch signifikanten Daten. Welche Methode der anderen überlegen ist, kann nun nicht eindeutig belegt werden.
Einige Trends ließen sich aus den Studienergebnissen jedoch durchaus ableiten. Der Großteil der Studienteilnehmer konnte dem Verlangen nach einer „richtigen“ Zigarette nicht lange widerstehen und griff innerhalb der ersten 50 Tage wieder zum tabakhaltigen Glimmstängel. Die Teilnehmer der E-Zigarettengruppe waren aber insgesamt standhafter, denn sie hielten durchschnittlich doppelt so lange durch wie ihre Pflaster-klebenden Kollegen. Die Rückfälligen unterschieden sich auch in ihrem Zigarettenkonsum: Ehemalige Probanden der E-Zigarettengruppe rauchten nach dem Rückfall immerhin im Schnitt zwei Zigaretten pro Tag weniger als rückfällige Probanden der Pflastergruppe. An diesem Punkt geben die Studienautoren allerdings zu bedenken, dass viele aufhörwillige Raucher bereits frühere, vergebliche Rauchstopp-Versuche mit Nikotinpflaster hinter sich hätten, was sich negativ auf die Verwendung der Pflaster auswirken könnte.
Auch wenn sich wohl alle Beteiligten insgesamt mehr Durchhaltevermögen erhofft hatten, gab es immerhin noch einen positiven Trend unter Aufhörwilligen zu verzeichnen: Im Vergleich zu ihrem Zigarettenkonsum vor Studienbeginn rauchten 57 Prozent der Rückfälligen nur noch höchstens die Hälfte der vorher üblichen Zigarettenzahl.
Eine weitere (Neben-) Erkenntnis der Studie ist, dass die kurzfristige Anwendung einer E-Zigarette offenbar keine schweren Gesundheitsrisiken mit sich bringt. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg (DKFZ) setzen sich dennoch nachdrücklich dafür ein, E-Zigaretten gesetzlich denselben Regularien wie Arzneimittel zu unterwerfen. Das würde bedeuten, dass nikotinhaltige E-Zigaretten in Deutschland nur noch in Apotheken erhältlich wären. „Zu möglichen gesundheitlichen Folgen eines langfristigen E-Zigarettenkonsums liegen derzeit noch keine Studien vor, da die Produkte erst seit wenigen Jahren auf dem Markt sind“, begründeten die Forscher ihre Bemühungen in einer Stellungnahme vom April 2013. E-Zigaretten, oder vielmehr die Inhaltsstoffe, die darin verdampft würden, könnten nicht als bedenkenlos bewertet werden. Die sogenannten Liquids könnten – über einen längeren Zeitraum konsumiert – möglicherweise eine gesundheitsschädliche Wirkung haben. Durch „feine und ultrafeine lungengängige Flüssigkeitspartikel, Nikotin und krebserzeugende Substanzen“, die in die Raumluft abgegeben werden, sehen die DKFZ-Forscher auch „Passivdampfer“ in Gefahr.
In Deutschland wies das Oberverwaltungsgericht in Münster am 17. September die Rechtauffassungen der Stadt Wuppertal, des Landes Nordrhein-Westfalen und der Bundesrepublik Deutschland zurück und stellte fest, dass nikotinhaltige Flüssigkeiten für rauchfreie E-Zigaretten keine Arzneimittel sind. Das EU-Parlament hingegen hat mittlerweile eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, wonach elektrische Zigaretten dem Arzneimittelrecht unterworfen werden sollen. Damit bräuchten die Produkte eine entsprechende Zulassung, die erst nach jahrelangen Tests erteilt wird. Das wäre ein herber Rückschlag für die boomende Branche – und evtl. auch für all diejenigen, die mit Hilfe der e-Zigaretten das Rauchen aufgeben wollen.