Kurz vor der Bundestagswahl sprachen Daniel Bahr, Jens Spahn und Dr. Martina Bunge zu Apothekern. Die Gesundheitspolitiker gingen nicht nur auf Stimmenfang, sondern teilten kräftig aus – in Richtung GKV-Spitzenverband und Standesvertretung.
Am kommenden Sonntag schlägt für Schwarz-Gelb die Stunde der Wahrheit. Ziehen Liberale wieder in den Bundestag ein, was laut aktuellen Umfragen äußerst knapp wird, könnte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) in Amt und Würden bleiben. Zusammen mit Jens Spahn (CDU) sprach er auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) über tatsächliche und vermeintliche Erfolge der Legislaturperiode, schlug aber auch kritische Töne an.
Kurz zuvor hatte Bahr bereits Antworten auf der ABDA-Plattform „Gesundheit wählen“ veröffentlicht. Er setze sich dafür ein, dass „weiterhin alle Bürger unabhängig vom Geldbeutel Zugang zu einer bedarfsgerechten, wohnortnahen und qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung haben“. Liberale hoffen beispielsweise, dass sich öffentliche Apotheken im Windschatten des Landärztegesetzes neu ansiedeln. Bahr selbst hält aber nichts davon, „wenn man mit dem Büsschen in Gemeinden fährt und wie ein Eisverkäufer klingelt“ – ein Seitenhieb in Richtung DocMorris-Bus. Für den Berufsstand gab es im gleichen Atemzug Zuckerbrot und Peitsche: Zwar steht die FDP klar hinter freiberuflichen, inhabergeführten Apotheken und sieht den Mittelstand als tragende Säule unserer Wirtschaft. Jeder Inhaber müsse dennoch wirtschaftlich arbeiten und sich auf dem Markt behaupten, so Bahr weiter. „Wettbewerb, aber Fairness“, lautet seine Maxime. Der Liberale verspricht, im Falle einer schwarz-gelben Koalition Fixhonorare regelmäßig zu überprüfen – im Idealfall alle vier Jahre. Einen Automatismus befürwortet er nicht. Gleichzeitig warnt Bahr vor überzogenen Erwartungen des Berufsstands. Für ihn gehören Fixum und Fremd- beziehungsweise Mehrbesitzverbot untrennbar zusammen. Bleibt zum Abschluss noch, einen Finger in bekannte Wunden zu legen, Stichwort ABDA-KBV-Modell. Nachdem Schwarz-Gelb entsprechende Anpassungen des V. Sozialgesetzbuchs vorgenommen hatte, passierte erst einmal recht wenig. Bahr: „Forderungen sind schnell aufgestellt. Wie lange es dann bis zur Umsetzung dauert, ist bedauerlich.“
Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Union, kam mit weiteren Themen im Gepäck. Er kritisiert er Nullretaxationen als „Schikanen einzelner Krankenkassen“. Obwohl sich Vertreter der KVen und der Apotheker auf eine konkrete Vertragsfassung geeinigt hatten, um das Übel künftig zu vermeiden, will sich der GKV-Spitzenverband nicht daran halten. Spahn spricht von „abgelösten“ beziehungsweise „freischwebenden“ Handlungen fernab jeder Versorgungsrealität. Mit Aut-idem-Listen kommen neue Probleme auf die Selbstverwaltung zu: Ende Juli hatte der Deutsche Apothekerverband alle Gespräche abgebrochen und die Schiedsstelle eingeschaltet. „Wir wissen, dass es nicht die Apotheker sind, an denen es hapert“, stellt Spahn klar. Für ihn liegt ein staatliches Handeln im Bereich des Möglichen, sollten sich beide Partner nicht verständigen. Ansonsten will er das bestehende Apothekensystem schützen und teilt Hiebe in Richtung Opposition aus: „Wo es brenzlig wird, lassen sich die Grünen nicht blicken.“ Lediglich Marlis Bredehorst überbrachte Grußworte der nordrhein-westfälischen Landesregierung, aus Berlin waren keine Gesundheitsexperten der Grünen nach Düsseldorf gekommen. Spitzenkandidat Jürgen Trittin hatte im Wahlkampf eine Lanze für Apothekenketten gebrochen.
Anders als ihre Vorredner sieht Dr. Martina Bunge von der Linken keinen wirtschaftlichen Silberstreif am Horizont: „Unsere parlamentarische Anfrage hat gezeigt, dass es Apothekern heute deutlich schlechter geht als noch vor zehn Jahren.“ Ein schmerzlicher Lernprozess: „Klientelpolitik ist nicht verlässlich, sondern dreht sich je nach politischer Wetterlage.“ Als besonders deutliches Beispiel sieht Bunge die kontrovers diskutierten Rabattverträge: „Sicher wird am Anfang Geld gespart. Doch der Mehraufwand in den Apotheken und Arztpraxen wurde zunächst völlig ignoriert.“ Auch machen gesundheitliche Folgen durch mangelnde Compliance Gewinne schnell wieder zu Nichte. Deshalb will Bunge das Modell komplett überarbeiten. An den Regierungsparteien lässt die Oppositionspolitikerin kein gutes Haar. Diese „verweigern sich immer noch einer Dynamisierung des Fixhonorars“. Und zum Pick-up-verbot, wie ursprünglich im Koalitionsvertrag vorgesehen, sei es nicht gekommen, „weil beide im Gegensatz zu uns grundsätzlich an den Versandhandel heran wollen“. Bunge fordert vehement, Rx-Präparate nur noch über Präsenzapotheken zu dispensieren.
Nach parteipolitisch gefärbten Grußworten präzisierte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zahlreiche Aspekte aus Apothekersicht: „Die massive Ausweitung des Einflusses der Krankenkassen in der Versorgung hat dazu geführt, dass Patienteninteressen unter die Räder gekommen sind.“ Dem gegenüber stehen satte Überschüsse. „Spitzenmedizin und Grundversorgung können als Ziele beide erreicht werden, gerade wenn man Milliarden auf der hohen Kante liegen hat“, so Schmidt weiter. Jetzt sei es an der Zeit, „gemeinsam in eine Debatte mit Politik und Gesellschaft zu der Frage eintreten, welche Funktionen Apotheker in der öffentlichen Apotheke in Zukunft übernehmen sollen.“ Stichwort Versorgung, von einem Flächenbrand will der ABDA-Chef nichts wissen.
„Trotz des äußerst bedauerlichen Rückgangs der Zahl an Apotheken ist bisher nirgendwo in Deutschland der pharmazeutische Notstand ausgebrochen“, sagt Schmidt. Apothekenbusse würden ausschließlich von wirtschaftlichen Partikularinteressen getrieben. „Genauso gut könnte man auch vorschlagen, Arzneimittelpakete zukünftig von Bundeswehrhubschraubern über den uckermärkischen Wäldern abwerfen zu lassen.“ Schmidt sieht kein logistisches, sondern vielmehr ein humanitäres Problem. „Alte Menschen, die unter Immobilität und Krankheit leiden, brauchen jemanden, der ihre Verhältnisse kennt, mit ihnen spricht, den Kontakt zu Arzt und Pflegedienst hält und ab und zu nach ihnen sieht“, und das sei eben die öffentliche Apotheke. Er fordert Politiker aller Couleur auf, Lösungen umzusetzen, die im Apothekengesetz und in der Apothekenbetriebsordnung längst vorgesehen sind: neue Aufgaben für eine künftige Bundesregierung.