Ob eine Mammographie eine sinnvolle Brustkrebs-Früherkennung ist, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Wissenschaftler fanden nun heraus, dass vor allem jüngere Frauen unter 50 durchaus von einem Mammographie-Screening profitieren könnten.
In ihrer im Journal „Cancer“ veröffentlichten Studie berichten die Wissenschaftler, dass ein regelmäßiges Mammographie Screening offenbar vor allem jungen Frauen unter 50 Jahren das Leben retten kann, wenn sie an Brustkrebs erkranken. Anders als bei Studien normalerweise üblich, begleiteten die Wissenschaftler in diesem Fall ihre Probandinnen nicht über einen gewissen Zeitraum, um so Erkenntnisse über den Verlauf ihrer Krankheit zu gewinnen, sondern studierten die Krankenakten von 7.301 Patientinnen, bei denen zwischen 1990 und 1999 Brustkrebs diagnostiziert worden war.
Prof. Dr. Blake Cady, einer der beteiligten Wissenschaftler von der Harvard Medical School in Boston, USA und seine Kollegen untersuchten alle Brustkrebsfälle genau und verfolgten die Verläufe bis ins Jahr 2007. Bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes waren 609 Frauen an Brustkrebs gestorben. Anhand ihrer Krankenakten verglichen die Wissenschaftler unter anderem, wie häufig die Patientinnen vor ihrer Diagnose an einem Mammographie-Screening teilgenommen hatten. 71 % (395 von 609) der an Brustkrebs verstorbenen Frauen hatten sich noch nie einer Mammographie unterzogen oder ihre letzte Untersuchung hatte mehr als zwei Jahre vor ihrer Brustkrebsdiagnose stattgefunden. „Die meisten der verstorbenen Frauen waren noch jung“, so Cady. Die Hälfte aller Frauen war in einem Alter von unter 50 Jahren ihrer Krankheit zum Opfer gefallen. Lediglich 13 % der Patientinnen waren bei ihrem Tod 70 Jahre oder älter.
Insgesamt hätten Frauen deutlich von der Einführung der Mammographie profitiert, interpretieren die Wissenschaftler ihrer Daten. Denn während die Hälfte der Frauen, die im Jahr 1969 die Diagnose Brustkrebs erhielten, innerhalb der nächsten 13 Jahre verstarb, waren es bei den Frauen dieser Studie gerade einmal neun Prozent. Auch Dr. Barbara Monsees, Vorsitzende der American College of Radiology Breast Imaging Commission, die nicht an der Studie beteiligt war, sieht die höhere Überlebensrate nicht allein dem Fortschritt der Krebstherapien geschuldet. „Das ist nur die halbe Wahrheit. Diese Studie zeigt, dass Frauen vor allem von einer frühen Diagnose durch ein verbessertes Screening profitieren“, so Monsees. Ein regelmäßiges Durchleuchten der Brust sei vor allem für jüngere Frauen wichtig, da die Tumoren bei Frauen unter 50 Jahren erfahrungsgemäß schneller wüchsen als bei älteren Frauen. „Ein Mammographie Screening mindert nicht das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, aber es reduziert das Risiko, daran zu sterben“, fasst Monsees ihre Interpretation der Studiendaten zusammen. Sie plädiert für eine jährliche Untersuchung aller Frauen ab 40 Jahren, wie es die American Caner Society empfiehlt. Wenn der Brustkrebs früh entdeckt würde, ständen außerdem die Chancen für eine Brust-erhaltende Operation besser. Die U.S. Preventive Services Task Force hingegen hatte ihre Empfehlung erst im Jahr 2009 dahingehend geändert, dass sich lediglich Frauen zwischen 50 und 74 Jahren alle zwei Jahre einer Mammographie unterziehen sollten.
Die Interpretation der aktuellen Studiendaten findet allerdings auch in Fachkreisen nicht nur Anhänger: Die Häufigkeit der Mammographien bei den überlebenden Frauen sei schlichtweg ignoriert worden, so die Kritiker. „Die Daten erzählen nur die Hälfte der Geschichte“, so Dr. H. Gilbert Welch, Medizinprofessor am Dartmouth Institute for Health Policy & Clinical Practice. „Wenn sich 30 % der überlebenden Frauen einer Mammographie unterzogen hätten, 70 % aber nicht, würde jeder zustimmen, dass ein derartiges Screening überflüssig ist“, führt er seine Überlegungen aus. Außerdem hätten die Wissenschaftler die Behandlungsmethoden der Patientinnen außer Acht gelassen. Diese hätten einen nicht unwesentlichen Einfluss darauf, ob eine Frau an Brustkrebs sterbe. Die Wissenschaftler waren in allen Fällen davon ausgegangen, dass alle Frauen die bestmögliche Standardbehandlung erhalten hatten.
Eine engmaschige Kontrolle durch ein Mammographie Screening berge – neben der Strahlenbelastung – auch das Risiko einer „Überdiagnose“, so die Kritiker. Eine Studie aus dem Jahr 2012 zeigte, dass bei bis zu 25 % aller Frauen, die nach einer Mammagraphieuntersuchung die Diagnose Brustkrebs erhielten, diese sich als nicht korrekt herausstellte. Die Gewebeveränderungen hätten voraussichtlich nie zu einer Erkrankung oder gar zum Tode der Frauen geführt. Die körperlichen und psychischen Belastungen einer solchen Diagnose seien jedoch immens.
Laut Angaben des RKI ist Brustkrebs mit rund 72.000 Neuerkrankungen jährlich die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Das Mammakarzinom tritt wesentlich früher auf als die meisten anderen Krebsarten. Die Hälfte der betroffenen Frauen erkrankt vor dem 65. Lebensjahr, jede zehnte ist bei Diagnosestellung jünger als 45 Jahre – ein Alter, in dem die meisten übrigen Krebserkrankungen zahlenmäßig noch kaum eine Rolle spielen. In Deutschland wurde zwischen 2005 und 2008 das Mammographie-Screening eingeführt. Frauen zwischen 50 und 69 Jahren werden seitdem alle zwei Jahre zu einer Röntgenuntersuchung der Brust eingeladen. Ob ein früheres Mammographie-Screeing für Frauen mit einem erblich bedingten, erhöhten Risiko für Brustkrebs sinnvoll sein kann, sollte in Rücksprache mit einem Arzt geklärt werden.