Vor mehr als einem Jahr starb der italienische Profifußballer Piermario Morosini am plötzlichen Herztod. Der Zusammenhang zwischen Bewegung und Mortalität ist weitaus komplexer, wie aktuelle Veröffentlichungen zeigen.
Morosinis Tod auf dem Spielfeld ist leider kein Einzelfall. Jahr für Jahr sterben hier zu Lande mehr als 100.000 Menschen am plötzlichen Herztod, einige hundert auch beim Sport. Dahinter steckt häufig unentdeckte hypertrophe Kardiomyopathien. Früher oder später kommt es unter Belastung zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen. Statistisch gesehen erhöht sich das Risiko um den Faktor 2,8. Weitere Auslöser sind Anomalien der Koronargefäße sowie der steigende Druck im Leistungssport: Trotz grippaler Infekte schleppen sich Athleten zum Wettkampf und bezahlen dies mit einer Myokarditis. Kardiologen betreten bei dem Thema jedoch wissenschaftliches Neuland. Deshalb können Ärzte, Trainer und Laien entsprechende Ereignisse über SCD-Deutschland (Sudden Cardiac Death) online melden. Darüber hinaus sind Defibrillatoren Pflicht – wohlgemerkt bei Berufssportlern sowie in großen Stadien. Fußballer und Zuseher im Amateurbereich haben meist deutlich schlechtere Karten.
Eine französische Forschergruppe um Eloi Marijon und Xavier Jouven untersuchte jetzt Daten medizinischer Notfalldienste aus 60 aller 96 europäischen Départements, der typischen Verwaltungsbezirke. Besonders interessierten sich Kardiologen für sportliche Menschen zwischen 15 und 75 Jahren. Eine weitere Voraussetzung war, dass mittlere bis hohe Belastungen und der Tod zeitlich zusammenhingen. Das traf bei 775 Patienten zu. Nur 42 (fünf Prozent) waren Frauen, sie starben mit durchschnittlich 44 Jahren. Bei Männern waren es im Schnitt 46 Jahre. Aus statistischen Taten zur sportlichen Aktivität in Frankreich errechneten Marijon und Jouven die jährliche Inzidenz von 10,1 Sterbefällen unter einer Million Männern im Training, bei Frauen waren es lediglich 0,51. Darüber hinaus stieg beim vermeintlich starken Geschlecht das Risiko mit dem Alter an – bei Frauen fehlte eine entsprechende Korrelation. Stecken Testosteron beziehungsweise übertriebener Ehrgeiz hinter den Unterschieden? Eine Erklärung bleiben die Autoren schuldig. Weitere Unterschiede gab es bei den Sportarten selbst: Schwimmer verstarben vergleichsweise selten am Herzinfarkt, Radfahrer jedoch relativ häufig. Das gibt zu denken.
Zumindest hier drängen sich Vermutungen auf, die unter anderem in Paris epidemiologisch bestätigt wurden: Hazrije Mustafić und Xavier Jouven untersuchten, warum an Tagen mit starker Luftverschmutzung besonders viele Menschen in Krankenhäuser eingeliefert werden. Bei der Auswertung von 34 Studien fanden sie Zusammenhänge zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stickoxiden, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid beziehungsweise Feinstaub. Sogar eine Korrelation zwischen Dosis und Wirkung ließ sich feststellen. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen britische Forscher im Rahmen einer kürzlich veröffentlichten Metaanalyse, die 195 Arbeiten mit eingeschlossen hat. Als Grund wird vermutet, dass Luftschadstoffe Entzündungen hervorrufen und Einfluss auf die Herzfrequenz haben. Menschen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen sollten im verschmutzten Großstadtdschungel deshalb vorsichtig bei Leibesübungen sein.
Für „Couchkartoffeln“ ist das noch lange keine Ausrede, untätig zu bleiben. Wer regelmäßig joggt, gewinnt dadurch bis zu sechs Jahre Lebenszeit, berichtet der dänische Kollege Peter Schnohr. Seine prospektive Bevölkerungsstudie mit 17.589 gesunden Teilnehmern zwischen 20 und 98 Jahren aus Kopenhagen begann bereits 1976. Schnohr verglich Mortalitäten von 1.878 Joggern (762 Frauen, 1.116 Männer) mit denen von Sportmuffeln. Während des Follow-ups von maximal 35 Jahren waren 10.158 Menschen in der großen Kontrollgruppe aus unterschiedlichen Gründen verstorben – verglichen mit 122 bei den Jogging-Begeisterten. Daraus errechnete Schnohr einen Überlebensvorteil von bis zu 5,6 beziehungsweise 6,2 Jahren für Frauen und Männer. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht: Bei näherer Betrachtung fand sein Team eine U-förmige Kurve als Zusammenhang zwischen der Sterblichkeit und Trainingsintensität. Wenig Bewegung führt zu höherer Mortalität, das leuchtet ein. Subanalysen ergaben, dass Laufzeiten von bis zu 60 Minuten pro Woche das Risiko um 32 Prozent verringerten, bei 60 bis 150 Minuten waren es sogar 42 Prozent – das Optimum. Wer 2,5 bis 4,0 Stunden auf der Piste war, hatte nur noch einen Benefit von 21 Prozent. Darüber hinaus verringerte sich das Risiko um lediglich 14 Prozent. Als ideal erwies sich ein moderates Tempo. Noch ein Blick auf die Trainingseinheiten selbst: Drei Läufe pro Woche ließen das Risiko um 60 Prozent sinken. Dann ändert sich der Trend schlagartig: Wer noch mehr trainierte, vergrößerte sein Risiko um plus 24 Prozent im Vergleich zu Sporthassern – Joggen kann in manchen Fällen durchaus schädlich sein.
Ein Fazit: Sport ist gesund, es kommt jedoch auf die Rahmenbedingungen und auf das richtige Maß an. Kollegen sollten Patienten mit bestehenden Vorerkrankungen oder hohem Trainingspensum entsprechende Untersuchungen anbieten. Laut der S1-Leitlinie „Vorsorgeuntersuchung im Sport“ bieten sich neben Belastungstests auch Ultraschalluntersuchungen des Herzens an, um verkalkte Herzkranzgefäße zu entdecken, bevor es zu spät ist.