Ein Forschungsteam konnte erstmals nachweisen, welche hirneigenen Zellen über den Verlauf und den Gewebeschaden von autoimmunen entzündlichen Hirnerkrankungen entscheiden.
Wenn man sich das Gehirn als einen überaus bunten und lebendigen Garten mit vielen verschieden blühenden Bäumen und Sträuchern vorstellt, wobei die Nervenzellen die großen Bäume darstellen, bedarf es mehr oder minder intensiver Pflege durch fleißige Gärtner, damit alle Pflanzen wachsen und reifen können. Diese Aufgaben übernehmen die nicht-neuronalen Zellen, die Gliazellen. Die Hirnmakrophagen, auch Mikroglia genannt, sind mit einem Anteil von ca. 10 Prozent aller Gehirnzellen zwar nur eine relativ kleine Zellpopulation, spielen aber sowohl für die Entwicklung des Gehirns als auch bei zahlreichen Erkrankungen eine herausragende Rolle, die man mit der von Gärtnern vergleichen kann: Bei der Entwicklung der „Nervenbäume“ werden die überzähligen Zweige durch Mikrogliazellen entfernt und auch abgestorbene Nervenzellen werden durch diese Gärtner schnell weggeräumt, damit es im Garten weiter blühen und gedeihen kann. In den letzten Jahren verdichteten sich jedoch die Hinweise, dass Mikrogliazellen selbst Verursacher von Hirn- und Hirnhautentzündungen als auch von autoimmunen entzündlichen Erkrankungen des Gehirns wie der Multiplen Sklerose (MS) sein könnten. Bislang konnte dafür aber nicht der ultimative Beweis geführt werden, da sich Mikrogliazellen nicht selektiv untersuchen ließen – sie waren nicht von ihren Gärtnerkollegen im Blut oder anderen Organen zu unterscheiden.
Das Forschungsteam um Prof. Dr. Marco Prinz, Ärztlicher Direktor des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikum Freiburg und assoziiertes Mitglied des BIOSS Centre for Biological Signalling Studies Freiburg, und die Biologen Dr. Tobias Goldmann und Peter Wieghofer konnten nun zeigen, dass Mikrogliazellen ein spezifisches Molekül als zentralen Schalter der Entzündungsreaktion benutzen, um schädliche Blutzellen in das Gehirn zu locken und dort die Nervenzellbäume und andere Mitbewohner abzutöten. Die Ergebnisse der Studie sind wichtig, da diese genetischen Schalter neue Angriffspunkte für zukünftige Therapien entzündlicher und neurodegenerativer Erkrankungen darstellen könnten. „Unsere Ergebnisse stellen einen wichtigen Meilenstein für das Verständnis der Makrophagenfunktion im Gehirn dar“, meint der Immunologe Prof. Dr. Steffen Jung aus Rehovot, Israel, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Da den Mikroglia eine wichtige Rolle bei der Entstehung vieler Hirnerkrankungen – wie z.B. Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson oder MS – und auch psychischer Erkrankungen zugeschrieben wird, werden unsere neuen genetischen Modelle zukünftig wichtig sein, um die genaue Funktion dieser Zellen in den verschiedensten Erkrankungen zu klären.“ Originaltitelpublikation: A new type of microglia gene targeting shows TAK1 to be pivotal in CNS autoimmune inflammation Tobias Goldmann et al.; Nature Neuroscience, doi:10.1038/nn.3531; 2013