Wissenschaftler erforschten die mikrobielle Wiederbesiedlung des Darms von Patienten mit Colitis ulcerosa nach Behandlung mit einer "Fäkaltransplantation". Bei dieser Therapie wird die Darm-Mikrobiota von gesunden Spendern auf erkrankte Personen übertragen.
In Europa leiden rund zwei Millionen Menschen an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Durch die fortschreitende Gewebszerstörung sind oft operative Entfernungen von Darmabschnitten notwendig. Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind die häufigsten Ausprägungen dieser Erkrankungen, deren genauen Ursachen noch weitgehend ungeklärt sind. Neben genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen, wie dem Lebensstil, wird für das Auslösen der Erkrankungen auch eine gestörte Darm-Mikrobiota verantwortlich gemacht. Eine vollständige Heilung ist nicht möglich. „Wenn die gängigen medikamentösen Therapien versagen, ist die Entfernung von Teilen des entzündeten Darms derzeit das letzte Mittel der Wahl“, erklärt Walter Reinisch, Gastroenterologe an der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien und Initiator der Studie.
Der Gedanke an die Übertragung von Fäkalien in den eigenen Körper verursacht natürlicherweise einen gewissen Ekel. Bei vielen infektiösen und chronischen Durchfallerkrankungen ist die Darm-Mikrobiota massiv verändert. Das Ziel der Fäkaltransplantation ist daher die Wiederherstellung der natürlichen Darm-Mikrobiota und damit eine Verbesserung des Krankheitszustands. „Metastudien haben gezeigt, dass die kontrollierte Transplantation der Fäkalmikrobiota von gesunden Spendern eine sichere und sehr effiziente Behandlung von Durchfallerkrankungen ist, deren Erreger der Clostridium difficile-Keim ist“, berichtet Sieglinde Angelberger, Gastroenterologin an der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien und Erstautorin der Studie: „Dies war der Grund, warum wir diese Therapie auch zur Behandlung von Patienten mit chronischen Darmerkrankungen in Betracht gezogen haben.“ Mikroskopische Identifizierung der Mikrobiota im gesunden (links) und entzündeten Darm (rechts) mittels spezifischer Gensonden. Darmentzündungen führen zur Verdrängung gesundheitsunterstützender Bakterien z.B. Buttersäure-produzierende Clostridia (links in gelb) durch andere Bakterien (rechts), die in manchen Fällen die Heilung der Darmschleimhaut verzögern. © Alexander Loy
„Bislang ist noch nie wissenschaftlich überprüft worden, ob und wie eine erfolgreiche Fäkaltransplantation zur dauerhaften Besiedelung des Patienten durch die Darmbakterien des gesunden Spenders führt“, so Alexander Loy vom Department für Mikrobielle Ökologie der Universität Wien: „Wir haben daher die Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota der Patienten mittels moderner DNA-Sequenzierungsmethoden erstmals über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten nach der Behandlung verfolgt.“ Das Darmökosystem jedes einzelnen Patienten reagierte sehr unterschiedlich auf die Fäkaltransplantation. Darmbakterien der Spender konnten in den Patienten nachgewiesen werden, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in verschiedenen Häufigkeiten. „Obwohl die Mechanismen unbekannt sind, erinnert die zeitliche Abfolge der Neubesiedelung des Darms durch die Bakterien der Spender an die Sukzession eines Waldes nach einem Sturmschaden“, erläutert Mikrobiologe David Berry: „Pionierarten besiedeln das abgeholzte Gebiet, in diesem Fall den entzündeten Darm, zuerst und verändern das Ökosystem so, dass sich weitere Arten ansiedeln können.“ Originalpublikation: Temporal bacterial community dynamics vary among ulcerative colitis patients after fecal microbiota transplantation Sieglinde Angelberger et al.; American Journal of Gastroenteroloy; doi:e10.1038/ajg.2013.257; 2013