Selbstabbauende Implantate aus nachwachsenden Rohstoffen sollen in Zukunft Mehrfachoperationen verhindern. Der Heilungsdauer des Knochens entsprechend werden sie vom Körper abgebaut und fördern dabei auch noch dessen Heilung.
Komplizierte Knochenbrüche erfordern eine operative Korrektur. Nach der Heilungsphase müssen die Implantate jedoch durch eine erneute Operation entfernt werden, worunter vor allem Kinder besonders leiden. Dank neuartiger Implantate zur Knochenheilung, die im Körper abgebaut werden, können in Zukunft vor allem bei Kindern schmerzhafte Mehrfach-Operationen vermieden werden.
Innerhalb von vier Jahren Forschungsarbeit haben Wissenschaftler der TU Graz unter Koordination der MedUni Graz mit Kollegen der TU Wien sowie der BOKU Wien erfolgreich resorbierbare Implantate zur Knochenheilung entwickelt. Im Unterschied zu herkömmlichen Implantaten wie Platten, Schrauben oder Nägeln kann so auf eine zweite Operation verzichtet werden. Eingesetzt werden sollen die "Bio Resorbable Implants for Children" (BRIC) vor allem bei Kindern, die unter jedem einzelnen Eingriff besonders leiden. "Für Erwachsene sind sie aber genauso geeignet", so Dr. Martin Koller, Entwicklungsingenieur am Institut für Biotechnologie und Bioprozesstechnik der TU Graz. Implantate, wie sie im Tierversuch bereits eingesetzt wurden, Copyright: Martin Koller
Grundstoff der neuartigen Implantate sind mikrobielle Biopolyester, so genannte Polyhydroxyalkanoate, kurz PHAs. "Zur Herstellung verwenden wir bakterielle Wildtypstämme, die ursprünglich aus Bodenproben isoliert wurden", erklärt Koller. Weitere Details dazu darf er nicht preisgeben. PHA wird von den Bakterien als Kohlenstoff- und Energiespeicherstoff innerhalb der Zelle angelegt. "Dies ist vergleichbar mit der Speicherung von Glykogen (Leberstärke) beim Menschen", erklärt der Ingenieur. Aus den Bakterienzellen werden diese PHA-Granula durch geeignete Lösungsmittel extrahiert. "Das rohe PHA wird schließlich am Institut von Prof. Stelzer an der TU Graz maschinell zu Implantaten verarbeitet", so Koller weiter. Die Herstellung sei von fossilen Rohstoffen wie Erdöl völlig unabhängig und basiere auf nachwachsenden Rohstoffen. "Dadurch entstehen keine negativen Effekte für den Körper. Das Implantat wird von Bakterien produziert und kann dann vom menschlichen Körper aufgenommen werden, nachdem es seine Aufgabe erfüllt hat", so Koller, denn das Abbauprodukt, 3-Hydroxybuttersäure, käme natürlicherweise im menschlichen Organismus vor. Im Tierversuch entdeckten die Wissenschaftler zudem eine osteoinduktive Wirkung, eine Anregung der de novo Knochenbildung, dieser Materialien. Bisher auf dem Markt befindlichen bio-basierten Implantaten seien die PHA-Implantate vor allem durch eine schnellere Abbaugeschwindigkeit und eine bessere Verträglichkeit überlegen. Alternative Biopolymere wie etwa Polymilchsäure führten im Unterschied zu PHAs beim Abbau im Körper zu einer Übersäuerung und riefen chronische Entzündungen hervor. Elektronenmikroskopische Aufnahmen von PHA-reichen Zellen,Copyright: Aufnahme durch FELMI-ZFE, Dr. Elisabeth Ingolic
Die Abbaugeschwindigkeit der PHA-Implantate im menschlichen Körper kann über die genaue Zusammensetzung des Polyesters durch die optimierte Fütterungsstrategie der bakteriellen Kultur im Bioreaktor variiert werden. Denn der Abbau des Implantates sollte genau in jener Geschwindigkeit stattfinden, in der ein gebrochener Knochen heilt. "Auch nach der Extraktion von PHA aus der bakteriellen Biomasse kann die Abbaugeschwindigkeit durch post-synthetische Modifikation des Polyesters noch verändert werden", so Koller. Erste Studien an Ratten wurden zwar bereits durchgeführt, aber dennoch sind die Materialien derzeit noch im Entwicklungsstadium und werden unter anderem auf ihre Abbaugeschwindigkeit und Materialeigenschaften getestet. Bioreaktor während der Biopolymersynthese, Copyright: Martin Koller Wie teuer die neuen Implantate sein werden und wann sie Patienten zur Verfügung stehen werden, können wie Wissenschaftler noch nicht endgültig beantworten. Industrielle Partner zeigen jedoch bereits großes Interesse an der Heilung von Frakturen ohne Mehrfachoperationen, wie die Beteiligung der Firmenpartner AT&S sowie Heraeus beweist.