Der Mangel an Sauerstoff und anderen lebenswichtigen Nährstoffen führt bei einem Myokardinfarkt über kurz oder lang zum Zelltod. Wissenschaftler fanden nun heraus, dass absterbende Herzzellen mit Sauerstoff weiterhin am Leben gehalten werden können.
Während eines Myokardinfarktes beginnt Herzmuskulatur abzusterben, wenn der Fluss von sauerstoffreichem Blut zu einer Sektion des Herzens unterbrochen und nicht schnell genug wiederhergestellt wird. Der Mangel an Sauerstoff und anderen lebenswichtigen Nährstoffen führt nach einem längeren Zeitraum zum Zelltod. Anschließend kommt es zu einem schrittweisen Verlust der Herzfunktionalität und zu kongestivem Herzversagen. Um den Zellverlust zu begrenzen, seien aktuelle Therapien laut dem Forscherteam derzeit nicht effektiv genug, da sie lediglich das Fortschreiten des kongestiven Herzfehlers verlangsamen.
Periannan Kuppusamy, Professor der Radiologie an der Geisel School of Medicine in Dartmouth, fand heraus, dass absterbende Herzzellen noch ausreichend Sauerstoff für den Stoffwechsel beinhalten. Zusätzliche kurzfristige Sauerstoffspitzen halten die Zellen aktiv und damit am Leben. An einem Tiermodell simulierten die Forscher einen akuten Herzinfarkt und entdeckten, dass die tägliche Gabe einer höheren Sauerstoffkonzentration über eine kurze Zeitspanne Spitzen in der myokardialen Sauerstoffversorgung hervorrief. Dies verhinderte anschließend myokardiale Beeinträchtigungen. "Wir alle wissen, dass Sauerstoff entscheidend für das Überleben ist, aber es ist verblüffend zu sehen, dass derselbe Sauerstoff wie ein Medikament genutzt werden kann, um Leiden zu behandeln", so Kuppusamy.
Aus Neugier darüber, wie die molekularen Sauerstoffmechanismen myokardiale Leiden behandeln können, begann er, den Effekt von Sauerstoff auf p53 zu prüfen. P53 ist ein Transkriptionsfaktor, der den Zellzyklus reguliert und die Apoptose triggert. Es stellte sich heraus, dass die Sauerstoff-Spikes die Funktion von p53 veränderten: Von einem Zelltod-auslösenden Protein zu einer fördernden Transkription von Genen, die absterbenden Herzzellen beim Überleben helfen.
Kuppusamy sieht eine Verbindung zwischen den Ergebnissen der aktuellen Studie und der jahrhundertealten Praxis von Atemübungen für das menschliche Wohlbefinden. "Kontrolliertes Atmen kann die Gewebe-Oxygenierung erhöhen und – sofern täglich ausgeübt – den Krankheitsverlauf aufhalten", so der Studienleiter. Seine Forschung in Dartmouth konzentriert sich auch auf die Effekte von Sauerstoff in Krebstherapien. Originalpublikation: p53's choice of myocardial death or survival: Oxygen protects infarct myocardium by recruiting p53 on NOS3 promoter through regulation of p53-Lys118 acetylation; Periannan Kuppusamy et al.; EMBO Molecular Medicine; DOI: 10.1002/emmm.201202055