Forschern ist es gelungen, einen wichtigen Schritt in der Herstellung des Wirkstoffes Rhizoxin zu entschlüsseln. Die Brisanz liegt in seiner Wirkungsweise: Rhizoxin hindert Krebszellen daran, sich zu teilen.
Lange bevor die Kartoffel europäische Teller und Mägen eroberte, wurde in Südostasien Reis angebaut – heute weltweites Grundnahrungsmittel. Verheerend ist es, wenn Pflanzenkrankheiten die Ernte vernichten. Zu den Schädlingen zählt auch die Reiskeimlingsfäule, ausgelöst durch den Schimmelpilz Rhizopus microsporus. Der Pilz befällt die Keimlinge und bildet den Naturstoff Rhizoxin. Dieses Zellgift hindert das Wachstum der Wurzeln und die Pflanze stirbt ab. Bereits Mitte der 1980er Jahre haben japanische Wissenschaftler Rhizoxin an menschlichen Zellkulturen getestet. Das überraschende Ergebnis: Es ist wirksam gegen Krebs. Leider scheiterte der Wirkstoff als Medikament: schlecht löslich im menschlichen Körper und noch dazu instabil. Die krebshindernden Eigenschaften der Substanz Rhizoxin sind aber weiterhin vielversprechend. Und so haben sich Christian Hertweck und seine Forscherkollegen vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut gemeinsam mit Wissenschaftlern der Eberhard Karls Universität Tübingen daran gemacht, die Bildung des Moleküls aufzuklären. Dabei entdeckten sie einen völlig neuen Reaktionsmechanismus.
Rhizoxin gehört zur großen Gruppe der Polyketide, die alle nach einem ähnlichen Muster gebildet werden. Im speziellen Fall von Rhizoxin interessierten sich die Forscher dafür, wie eine bestimmte Kettenverzweigung in das Molekül eingeführt wird. Genau diese Verzweigung ist für die Wirkung des Moleküls gegen Krebszellen verantwortlich. Für diesen Reaktionsschritt, so fanden die Forscher heraus, ist ein bisher unbekanntes Enzymmodul verantwortlich. Zunächst machten sich die Wissenschaftler aus Tübingen daran, die atomare Struktur des Enzyms aufzuklären, das die Verzweigungsreaktion katalysiert. Ihre Erkenntnisse gaben sie an die Jenaer Kollegen weiter. Diese konnten den Verzweigungsschritt im Reaktionsgefäß nachvollziehen und damit die Annahme bestätigen. Die Forscher nehmen an, dass das neu entdeckte Prinzip der Kettenverzweigung in der Natur häufiger vorkommt – eine Chance unbekannte Naturstoffe zu entdecken. Außerdem haben sie damit ein völlig neues Werkzeug in der Hand: Neue, medizinisch interessante Wirkstoffe könnten erzeugt und bereits vorhandene gezielt verändert werden. Originalpublikation: Vinylogous chain branching catalysed by a dedicated polyketide synthase module Bretschneider T. et al.; Nature, doi:10.1038/nature12588; 2013