Wissenschaftlern ist es nun im Zuge einer Studie gelungen, Leitschienen für Nerven aus Chitin zu gewinnen. Das gewonnene Material stammt dabei von Krabbengehäusen.
Bei Berufs-, Haushalts- und Freizeitunfällen treten häufig Nervenverletzungen auf, die Lücken zwischen durchtrennten Nerven hinterlassen. Normalerweise überbrücken Chirurgen diese mit körpereigenen Nerven. Doch dadurch entstehen neue Nervenverletzungen und außerdem ist körpereigenes Ersatzmaterial nur begrenzt verfügbar. Künstliche Nervenleitschienen könnten hier Abhilfe schaffen, bisher war deren Therapieerfolg bei Patienten aber nicht mit dem des körpereigenen Gewebeersatzes vergleichbar.
Einem von Professorin Dr. Claudia Grothe, Direktorin des Instituts für Neuroanatomie der Medizinischen Hochschule (MHH), koordinierten europäischen Forscherteam ist es nun gelungen, solche Schienen aus Krabbengehäusen herzustellen: In einem neuen Verfahren wird Chitosan, das vom Chitin aus Krabbengehäusen abstammt, so verändert, dass aus ihm Röhrchen hergestellt werden können. Chitosan ist natürlich abbaubar und biologisch hoch verträglich. Die Chitosan-Nervenleitschienen sind formstabil, chirurgisch leicht vernähbar und mittelfristig abbaubar. Die Wissenschaftler verglichen drei Chitosan-Varianten im Tiermodell mit der Standardtherapie. „Eine war hierbei besonders geeignet, die gewebliche und funktionelle Wiederherstellung verletzter peripherer Nerven in vergleichbarem Ausmaß zu unterstützen wie die Standardtherapie“, sagt Professorin Grothe.
Den Wissenschaftlern liegt nun ein vielversprechendes Ausgangsprodukt für weitere Entwicklungen vor. Dabei werden derzeit die bisher hohlen Chitosanröhrchen dreidimensional mit Hydrogelen ausgestaltet und mit regenerationsfördernden Substanzen und gentechnisch modifizierten Zellen angereichert. Diese weiterentwickelten bioartifiziellen Nervenleitschienen werden anschließend auf ihre Eignung untersucht, auch längerstreckige, großflächige Nervendefekte erfolgreich überbrücken zu können. Originalpublikation: Chitosan tubes of varying degrees of acetylation for bridging peripheral nerve defects Claudia Grothe et al.; Biomaterials, doi: 10.1016/j.biomaterials.2013.08.074, 2013