Bisher galt die in den USA weit verbreitete Masthilfe Trenbolon als harmlos. Gelangt der Wirkstoff nach Gebrauch in den Wasserkreislauf, zerfällt er tagsüber in ungefährliche Einzelteile. Doch nachts regeneriert sich das Steroid und gefährdet unbemerkt Wasserorganismen und den Menschen.
Unmengen an bioaktiven organischen Substanzen landen Tag für Tag in unserem Abwasser. Was mit ihnen dort geschieht, fand bisher nur wenig Beachtung, denn man ging davon aus, dass das ökologische Risiko mit dem Abbau der als wenig stabil geltenden Substanzen abnimmt.
Wissenschaftler von der University of Iowa, USA, haben nun exemplarisch das Schicksal des Sexualhormons Trenbolon unter die Lupe genommen. Einst als Muskelbooster unter Bodybuildern gefeiert, ist das Hormon mittlerweile für die Anwendung am Menschen verboten. Als Masthilfe wird der Stoff jedoch großflächig und völlig legal in den USA und Kanada eingesetzt – und das sogar ohne tierärztliches Rezept. 20 Millionen Rinder sollen so jährlich in den USA behandelt werden und den Farmern etwa 1 Milliarde US$ zusätzlich in die Kassen spülen. Über die Exkremente der Tiere gelangt der Stoff in Gewässer, wo er bereits in geringen Konzentrationen das Sexualverhalten und die Fruchtbarkeit von Fischen beeinflusst.
Eine im Oktober im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlichte Studie brachte besorgniserregende Erkenntnisse zutage. Die beteiligten Forscher prüften zunächst im Labor, später in freier Natur, wie sich Trenbolon zersetzt. Ihre Untersuchungen zeigten, dass das Hormon, anders als angenommen, in Wasser nicht gänzlich zerfällt, sondern die Bruchstücke der Verbindung dazu in der Lage sind, sich unter bestimmten Bedingungen wieder zu regenerieren. „Auf diese Art wird das Leben der arzneilich wirksamen Substanz verlängert, selbst wenn sie nur in Spuren vorkommt“, schreiben die Wissenschaftler. Das Forscherteam stieß auf vergleichbare Ergebnisse, als es den Abbau zweier ähnlich aufgebauter Steroide untersuchte: Dienogest, ein synthetisches Gestagen, das in der Antibabypille vorkommt, und Dienodone, ein verbotenes anabolisches Steroid, das früher von Bodybuildern konsumiert wurde.
Trenbolon ist äußerst lichtempfindlich. Das Steroid galt bisher aufgrund seines schnellen Abbaus als umweltverträglich. Studien, die der Hersteller für das Zulassungsprozedere durchführen ließ, belegten eine Halbwertszeit in der Natur von weniger als einem Tag. Bisher ging man davon aus, dass nur hohe Konzentrationen von Trenbolon und ähnlichen Substanzen die Umwelt und spezielle Organismen, die in Gewässern leben, gefährden. „Wir sehen kein Fischsterben mehr und wahrscheinlich leiten wir auch weniger kanzerogene Stoffe in unsere Gewässer ein. Ich glaube aber nicht, dass das den Lebensraum für Wasserorganismen zwangsläufig sicherer macht“, so Autor der Studie Prof. Edward Kolodziej von der University of Nevada-Reno, USA. „Heutzutage ist es nur schwieriger, die Nebenwirkungen der Verunreinigungen zu charakterisieren.“
Sonnenlicht ist einer der Katalysatoren, der zum Abbau der Verbindungen in der Umwelt sorgt. In dieser Studie zeigte sich allerdings, dass dieses oft nicht ausreicht, um bestimmte Stoffe gänzlich abzubauen: Als die Wissenschaftler Tag- und Nachtverhältnisse im Labor nachstellten, wurde klar, dass die chemischen Komponenten der Steroide auch während des Tages nie gänzlich verschwanden. Und noch mehr: Unter nächtlichen Bedingungen und unter Konditionen eines typischen Oberflächengewässers (25 °C, pH 7), regenerierten sich die Steroide. Im Labor erreichten sie in einem Beobachtungszeitraum von 120 Stunden bis zu 60 Prozent ihrer ursprünglichen Masse wieder. „Wir wussten, dass hier etwas Einzigartiges vor sich geht“, so Studienleiter Prof. David Cwiertny. Es schien, als würden sich die Substanzen tagsüber verstecken. „Im Tageslicht liegt der Stoff in einer Form vor, die wir weder entdecken noch analysieren können, im Schutze der Nacht wächst er dann wieder zu seiner ursprünglichen Form aus.“ Unter unnatürlichen Bedingungen (hohe Wassertemperaturen und stark saure oder alkalische Bedingungen) regenerierte sich das Steroid sogar auf bis zu 88 Prozent seiner ursprünglichen Masse. Doch auch unter natürlichen Bedingungen bestätigten sich diese Ergebnisse: Auch in Wasserproben des Iowa River, die die Wissenschaftler in Iowa City, USA, entnommen hatten, regenerierte sich die teilweise abgebauten Steroide während der Nacht zu ihrer ursprünglichen Struktur. Dasselbe geschah in Wasserproben von einer kalifornischen Rinderfarm.
Von den US-amerikanischen Behörden wurden Trenbolon und verwandte Hormone als sicher und nützlich eingestuft – verhilft es doch Farmern zu schneller wachsenden Rindern, mit denen der Fleischbedarf der in- und ausländischen Bevölkerung gedeckt wird. Studienleiter Cwiertny mahnt zum Umdenken: „Trenbolon ist eine weitverbreitete Chemikalie, die nicht in unsere vorhandenen Risikomanagement-Regularien passt. Unsere Arbeit wird hoffentlich dazu beitragen, die Auswirkungen bestimmter Stoffe auf die Umwelt besser zu verstehen und zu bewerten. Wir wissen, dass sich bereits eine Vielzahl von bioaktiven Arzneistoffen und Inhaltsstoffe aus Körperpflegeprodukten in geringen Mengen in unseren Gewässern befinden. Was wir an Trenbolon zeigen konnten, sollten wir nutzen, um den Abbau anderer Stoffe genau zu untersuchen und dann den Einfluss dieser Produkte auf die Umwelt abzumildern“, so Prof. Cwiertny. Die Wissenschaftler vermuten, hier nur die Spitze eines Eisberges entdeckt zu haben. Denn im letzten Jahr hatten Kollegen gezeigt, dass bereits 35 Prozent der US-amerikanischen Wasserproben eine androgene Aktivität aufweisen, ohne dass die dafür verantwortlichen Stoffe im Labor identifiziert werden konnten.