Forscher haben aufgeklärt, wie Interferon die Leber schützt. Im Mittelpunkt stehen spezifische Suppressorzellen und das Gleichgewicht zwischen dem Entzündungsmediator Interleukin-1beta und seinem Inhibitor, dem Interleukin-1-Rezeptorantagonisten.
Wegen ihrer antiviralen und damit leberprotektiven Wirkung werden Typ-I-Interferone bei der Virushepatitis eingesetzt. Allerdings ist diese Behandlung mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Die Erkenntnisse bieten möglicherweise Ansatzpunkte für eine spezifischere Therapie mit weniger Nebenwirkungen.
Typ-I-Interferone werden vor allem mit ihrer immunstimulierenden, antiviralen und antitumoralen Wirkung in Verbindung gebracht. Doch haben sie auch eine entzündungshemmende Wirkung. So verbessert Interferon beispielsweise bei Patienten mit Leberentzündung aufgrund einer chronischen Hepatitis-C-Infektion den Zustand der Leber. Dies kann man auch noch dann beobachten, wenn durch die Behandlung kaum noch Viren nachweisbar sind. Über welchen Mechanismus dieser protektive Effekt zustande kommt, haben Forscher um die Nachwuchsgruppenleiterin Dr. Zoe Waibler vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) untersucht. Als leberschädigendes Agens nutzen sie nicht Viren, sondern Poly(I:C), eine künstliche Doppelstrang-RNA, die eine virale Infektion nachahmt. Mit diesem Poly(I:C) behandelten die Forscher Interferonrezeptor-defiziente Mäuse (IFNAR-defiziente) Mäuse und genetisch unveränderte Kontrollmäuse. Bei IFNAR-defizienten Mäusen traten durch die Behandlung mit Poly(I:C) entzündliche Leberveränderungen mit Nekrosen auf, während die Kontrolltiere geschützt waren. Wie auch bei Leberentzündungen des Menschen stiegen zudem bei den IFNAR-defizienten Mäusen die Spiegel des Enzyms Alanin-Aminotransferase im Blut an, nicht dagegen bei den Kontrollmäusen.
Durch Ausschalten des Interferon-Rezeptors auf einzelnen Zelltypen und die Untersuchung spezifischer Oberflächenmarker gelang es den PEI-Forschern in Zusammenarbeit mit Prof. Christian Bogdan, Mikrobiologisches Institut der Universitätsklinik Erlangen, bestimmte Suppressorzellen ("myeloid derived supressor cells", MDSC) als die Zellen zu identifizieren, die, von Interferon getriggert, in die Leber einwandern und dort die schützende Wirkung vermitteln. Wie Waibler und Kollegen weiter zeigen konnten, beeinflussen diese Suppressorzellen in der Leber das Gleichgewicht zwischen dem hochpotenten entzündungsfördernden Zytokin Interleukin-1beta (IL-1beta) und seinem natürlich vorkommenden Inhibitor, dem anti-inflammatorischen Interleukin-1-Rezeptorantagonisten (IL-1RA): Bei den IFNAR -defizienten Mäusen verschob sich das Gleichgewicht nach Behandlung mit Poly(I:C) stark in Richtung des entzündungsfördernden IL-1beta, bei den Kontrollmäusen dagegen in Richtung des entzündungshemmenden IL-1RA.
Dass tatsächlich IL-1beta und IL-1RA die entzündlichen bzw. protektiven Effekte in der Leber auslösen, wiesen Waibler und Kollegen nach, indem sie bei IFNAR-defizienten Mäusen durch Gabe von IL-1RA den durch Poly(I:C) induzierten Leberschaden verhinderten. Hier kann Interferon wegen des fehlenden Interferon-Rezeptors die Schutzwirkung zwar nicht anschalten, aber die durch Interferon normalerweise vermittelte Wirkung (nachgeschaltete Effekte) war durch die Gabe von IL-1RA wiederhergestellt worden. Und ebenso verbesserte sich die Leber bei IFNAR-defizienten Mäusen, wenn durch Zugabe eines Antikörpers das entzündungsfördernde Zytokin IL-1 beta neutralisiert wurde. "Interferone wirken extrem vielfältig, indem sie bis zu 300 Gene regulieren und dadurch sehr viele Wirkungen hervorrufen. Nur ein geringer Teil davon ist für diesen Lebereffekt verantwortlich. Vielleicht ist hier eine organspezifische Therapie möglich", erläutert Waibler einen denkbaren klinischen Nutzen dieser Befunde. Leberhistologie von Mäusen nach Behandlung mit leberschädigender RNA. Kontrollmäuse (WT) sind durch eine Interferon-vermittelte Wirkung geschützt. Testmäuse (IFNAR-/-) entwickeln schwere Leberschäden. © Paul-Ehrlich-Institut
Biotechnologisch hergestelltes IL-1RA wird zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis eingesetzt. Ebenso gibt es bereits einen gentechnisch hergestellten monoklonalen Antikörper, der gegen IL-1beta gerichtet ist und bei Patienten mit einem bestimmten Gendefekt eingesetzt wird. Auch für die Tatsache, dass die Suppressorzellen in den Kontrollmäusen die Leber infiltrieren, haben die PEI-Forscher eine Erklärung: Aufgrund experimenteller Befunde vermuten sie, dass Interferone ein bestimmtes Chemokin in der Leber anschalten, das die spezifischen Supressorzellen (MDSC) anlockt. "Noch immer sind viele immunologische Prozesse nicht vollständig aufgeklärt. Wir tragen mit unserer Grundlagenforschung dazu bei, Ansätze für Therapien zu entwickeln, die wirksam und gleichzeitig mit möglichst wenigen Nebenwirkungen verbunden sind", betont Prof. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts. Originalpublikation: Protection against RNA-induced liver damage by myeloid cells requires type I IFN and IL-1 receptor antagonist Zoe Waibler et al.; Hepatology, doi: 10.1002/hep.26915, 2013