Axone können umhüllt sein – dann leiten sie Informationen schneller weiter - oder sie benötigen keine Hülle. Wissenschaftler konnten nun bei Mäusen zeigen, wie die Umhüllung oder Hüllenlosigkeit der Axone im peripheren Nervensystem gesteuert wird.
Eine wichtige Rolle im Nervensystem spielen neben den Nervenzellen (Neuronen) die Gliazellen. „Ohne Gliazellen würde keine Nervenzelle funktionieren“, betont Dr. Tamara Grigoryan aus der Forschungsgruppe von Prof. Walter Birchmeier am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch. Im peripheren Nervensysstem spielt dabei eine Gruppe von Gliazellen eine Rolle, die nach ihrem Entdecker Theodor Schwann (1810-1882) als Schwannzellen bezeichnet werden. Diese Schwannzellen umhüllen die Axone und bilden die sogenannte Myelinschicht. „Die Schwannzellen steuern auch die Regeneration der Axone nach einer Nervenverletzung im peripheren Nervensystems.“ Aber nicht alle Axone werden von den Schwannzellen umhüllt. Wie wird dieser Vorgang gesteuert? „Zu Beginn ihrer Entwicklung im Embryo sind die Axone in Bündeln als Fortsatz einer Nervenzelle zusammengefaßt und von einer Schwannzelle umhüllt“, erläutert Dr. Grigoryan. „Zur Zeit der Geburt aber beginnt die Schwannzelle die dicken Axone aus dem Bündel auszusortieren und mit einer Myelinschicht zu umhüllen. Die dünnen Axone werden nicht aussortiert – sie bleiben gebündelt und erhalten auch keine Myelinschicht. Diesen Vorgang nennt die Forschung „Axonale Radiale Sortierung“. Die großen und dickeren Axone werden von den Schwannzellen in mehreren Schichten umhüllt. Dank dieser isolierenden Myelinschicht – ähnlich einem mit Plastik umhüllten Stromkabel – können diese Axone, zum Beispiel von motorischen Neuronen, sehr rasch Informationen weiterleiten. So kann man zum Beispiel ganz schnell seine Hand von einer heißen Herdplatte ziehen, weil die Axone die Information „heiß – Verbrennungsgefahr“ signalisieren.
Gesteuert wird dieser fundamentale Prozess von einem Signalpfad, den Prof. Walter Birchmeiers Labor schon seit vielen Jahren untersucht – den Wnt/beta-Catenin Signalweg. Er ist einer der bisher am besten erforschten Signalwege. Er spielt bei der Embryonalentwicklung, beim Zellwachstum (Proliferation), der Zellreifung oder Zellspezialisierung (Differenzierung) sowie bei der Steuerung von Stammzellen eine wichtige Rolle, und, wie die jüngste Arbeit aus dem MDC jetzt zeigt, auch bei der Ausbildung und Differenzierung von Axonen. Das Forscherteam mißt seiner Entdeckung eine besondere Bedeutung bei, da eine Fehlregulation von Schwannzellen zu einer Reihe schwerer Krankheiten führen kann. Die Forscher hoffen, mit ihrer Entdeckung nicht nur zu einem besseren Verständnis der Schwannzellentwicklung beizutragen, sondern auch bessere Einblicke in die Entstehung von Krankheiten zu erhalten, an denen diese Zellen beteiligt sind. Originalpublikation: Wnt/Rspondin/β-catenin signals control axonal sorting and lineage progression in Schwann cell development Tamara Grigoryana et al.; PNAS, doi: 10.1073/pnas.1310490110; 2013