Haarfollikel bilden sich nur einmal während der embryonalen Entwicklung aus. Sterben sie im Laufe des Lebens ab, kann der Körper sie nicht erneuern. Auch im Labor gelang das bisher nicht. Nun ist es Forschern gelungen, aus menschlichen Hautpapillen Haarfollikel zu züchten.
Haare sind für viele Menschen ein leidiges Thema. Die einen haben zu viele, zumindest an Körperstellen, wo sie nicht erwünscht sind, die anderen zu wenige. Hauptsächlich Männer sind vom erblichen bedingten Haarausfall, der androgenetischen Alopezie, betroffen. Er äußerst sich zunächst typischerweise in den so genannten Geheimratsecken und kann in wenigen Jahren zu einer Glatze führen. Aber auch Frauen leiden unter dieser Form des Haarverlustes. Im Gegensatz zu Männern dünnt ihr Haar entlang des Scheitels aus, sodass die Kopfhaut durchschimmert. Bei Frauen bildet sich sehr selten eine komplette Glatze. Der Leidensdruck, der durch den ungewollten Haarverlust entsteht, kann bei beiden Geschlechtern hoch sein. Bisherige Therapien können den Haarverlust höchstens verlangsamen. Im fortgeschrittenen Stadium hilft meist nur noch eine Perücke oder eine Haartransplantation. Doch neben den nötigen finanziellen Mitteln benötigen die transplantationswilligen Patienten dafür auch genügend intakte Haarfollikel, die meist vom Hinterkopf auf die betreffenden Stellen verpflanzt werden können. Diese Voraussetzung erfüllen vor allem viele weibliche Patienten nicht.
Seit vielen Jahren schon versuchen Forscher vergeblich, neue Haarfolikel aus menschlichen Zellen zu züchten. Ein internationales Team aus Wissenschaftlern schürt nun Hoffnung, verzweifelten Patienten mit Haarverlust bald helfen zu können. Im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichteten sie kürzlich von ihrem Erfolg in der Haarzucht.
Haarfollikel entstehen bereits im Mutterleib aus Hautpapillen, zapfenartigen Vorwölbungen der Lederhaut in die Oberhaut. Bis auf wenige Ausnahmefälle werden defekte oder stillgelegte Haarwuchszentren im Laufe des Lebens nicht erneuert. "Im Laufe des Lebens bilden sich normalerweise keine neuen Haarfollikel mehr aus. Eine sehr seltene Ausnahme bilden manche Wunden", schreiben die Wissenschaftler der Columbia University in New York und ihre Kollegen. So entstehen kahle Stellen wie beim erblichen Haarausfall, wo die Follikel irgendwann aufhören, Haare zu produzieren. Bisher war es Wissenschaftlern nicht gelungen, aus Hautpapillen im Labor neue Haare zu züchten. Das Umsetzen der Hautpapillen aus ihrer natürlichen Umgebung in Zellkulturen war stets der Anlass, dass sich die Hautpapillen in gewöhnliche Hautzellen umwandelten. Und diese sind nicht in der Lage, Haare zu bilden.
Bei Nagetieren ist das anders. Hautpapillen von Nagetieren bilden neue Haarfollikel, wenn sie in Zellkultur vermehrt und dann in haarlose Haut transplantiert werden. Im Gegensatz zu menschlichen Hautpapillen lagern sie sich in vitro zu Zellklumpen zusammen, aus denen schließlich die Follikel entstehen. Diese Beobachtung brachte die Wissenschaftler auf die entscheidende Idee: Auch menschliche Hautpapillen brauchen offenbar eine klumpenartige Struktur, um Haarfolikel ausbilden zu können. Ihre Vermutung testeten die Forscher, indem sie sieben menschlichen Spendern Hautpapillen entnahmen und in vitro vermehrten. Um die Klumpenbildung zu fördern, boten die Wissenschaftler den Zellen tropfenförmige Ausstülpungen in den Kulturgefäßen an, in denen jeweils etwa 3.000 Zellen heranwuchsen. Diese Zellklumpen verpflanzten die Wissenschaftler anschließend in ein Stück haarfreie, menschliche Haut, die sich auf dem Rücken von Labor-Mäusen befand.
Sechs Wochen nach der Transplantation waren in dem zuvor unbehaarten Hautstück neue Haarfollikel entstanden. Fünf der sieben verpflanzten Zellhaufen produzierten sogar Haare, schreiben die Forscher in ihrer Publikation. Darin sehen die Wissenschaftler den Beleg, dass ihre Zellklumpen in der Lage sind, in von Natur aus haarfreier Haut neue Haare zu bilden. Zwar waren die neu entstandenen Follikel noch eher klein und nicht aus allen entwuchsen Haare, dennoch scheint das bisher Unmögliche endlich geschafft zu sein: Verloren gegangener Haarwuchs kann durch wenige Hautpapillen offenbar grundsätzlich ersetzt werden. Bis Patienten von dieser Entdeckung profitieren können, wird noch einige Zeit vergehen, in denen die Wissenschaftler ihren Ansatz optimieren und am Menschen testen werden. Dann könnte auch Menschen geholfen werden, bei denen eine Haartransplantation nicht möglich ist, wie Frauen mit Haarausfall oder Patienten mit großflächigen Verbrennungen.