Die Faktor-V-Leiden-Mutation stellt die am weitesten verbreitete erbliche Gerinnungsstörung dar. Diese erhöht das Risiko, eine Thrombose zu erleiden. Forscher haben nun eine weitere Mutation des Gerinnungsfaktors V entdeckt, die das Thromboserisiko verändert.
Der Gerinnungsfaktor V ist ein Protein, das eine essenzielle Rolle in der Blutgerinnung spielt. Ebenso wichtig ist jedoch der Abbau dieses Proteins im Körper durch aktiviertes Protein C (APC), ebenfalls Bestandteil des Blutplasmas, da ein unzureichender Abbau eine erhöhte Gerinnungsaktivität verursacht. Diese erhöhte Gerinnung steigert das Risiko, eine Thrombose zu erleiden um ein Vielfaches. In Österreich sind 10 Prozent der Bevölkerung Träger dieser Mutation des Gerinnungsfaktors V, die nach der niederländischen Stadt Leiden benannt wurde. Die Untersuchung, ob eine erhöhte Thromboseneigung vorliegt, ist nicht nur für Patienten wichtig, die bereits eine Thrombose oder Lungenembolie erlitten haben, sondern sollte auch vor Verschreibung der Pille in Betracht gezogen werden, da die Einnahme der Pille zur Empfängnisverhütung eine Thrombose begünstigen kann. Zur Untersuchung des Thromboserisikos ist die molekulargenetische Testung auf FVL möglich sowie die Bestimmung der APC-Resistenz. Bis jetzt sind einige Fälle mit einer Diskrepanz zwischen Gentest und APC-Resistenz bekannt, die als „pseudo-homozygot“ für FVL beschrieben werden. Diese Konstellation geht mit einem klinisch erhöhten Thromboserisiko wie bei homozygoten FVL Träger einher.
„Im Gegensatz dazu kommt es zu einem verminderten Thromboserisiko, wenn Menschen von einem Elternteil zwar eine FVL-Mutation geerbt haben, aber auch eine weitere Mutation wie die Faktor-V-Graz-Mutation haben, die dazu führt, dass zwar weniger, aber trotzdem normal funktionierender Gerinnungsfaktor V produziert wird“, so OA Dr. Florian Prüller, Klinisches Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik der MedUni Graz. Verantwortlich für die Diskrepanz von Gentest und APC-Resistenz sind die Ausprägungen der Allele im Faktor-V-Gen. Wenn ein Allel die FVL-Mutation aufweist, die Gen-Ausprägung also heterozygot ist, führt die zusätzliche Faktor-V-Graz-Mutation auf demselben Allel dazu, dass sich im Blut weniger, aber nur normal funktionierender (= NICHT APC-resistenter) Gerinnungsfaktor V befindet. Auf diese neue Faktor-V-Mutation wurden die Wissenschaftler durch widersprüchliche Testergebnisse aufmerksam. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin des Universitätsklinikums Dresden stellten die Forscher fest, dass bei bekanntem FVL eine bis dato unbekannte Mutation im Faktor-V-Gen dafür sorgt, dass der mutierte Gerinnungsfaktor nicht in den Blutkreislauf gelangt, daher die APC-Resistenz nicht wirksam wird und als „Pseudo-Wildtyp“ für FVL imponiert. „Der thrombogene Effekt der FVL-Mutation wird durch die in Graz entdeckte Faktor-V-Graz-Mutation quasi neutralisiert.“ Die genealogischen Daten zeigen, dass von der entdeckten Mutation betroffene Personen trotz des FVL-Nachweises im Gentest kein erhöhtes Thromboserisiko in sich tragen“, erklärt Florian Prüller.
Aus Sicht der Grazer Experten hat die Entdeckung der Faktor-V-Graz Mutation auch Auswirkungen auf die Diagnostik in der klinischen Praxis: Der genetische FVL-Test kann nur dazu dienen, Veränderungen im Bauplan des Körpers zu identifizieren. Mit dem funktionellen APC-Resistenz-Test wird hingegen die tatsächliche Funktionalität des Genoms überprüft. „Die Genetik kann uns beweisen, dass eine Mutation im Genom in Form der FVL-Mutation vorliegt. Ob diese Mutation die Gerinnung beeinflusst oder nicht, zeigt uns tatsächlich der funktionelle APC-Resistenz-Test.“ Daher sind sich die Wissenschaftler einig, dass zur Verschreibung der Pille und der damit einhergehenden Gefahr, an einer Thrombose zu erkranken, der wesentlich kostengünstigere APC-Resistenz-Test ein aufschlussreiches Ergebnis liefert. Will man jedoch testen, ob ein erhöhtes Thromboserisiko weiter vererbt werden kann, bedarf es weiterhin der Genetik. Originalpublikation: A novel factor V mutation causes a normal activated protein C ratio despite the presence of a heterozygous F5 R506Q (factor V Leiden) mutation Florian Prüller et al.; Br J Haematol, doi: 10.1111/bjh.12504; 2013