Forscher konstruierten aus menschlichen Komponenten einen genetischen Regelkreis, der Blutfettwerte überwacht. Als Reaktion auf überhöhte Werte produziert er einen Botenstoff, der dem Körper Sättigung signalisiert. Tests an fettleibigen Mäusen zeigten, dass es ihnen beim Abnehmen hilft.
Die Menschheit hat ein Gewichtsproblem, nicht nur in den Industrienationen: Mit dem wachsenden Wohlstand in vielen asiatischen oder lateinamerikanischen Ländern geht ein Lebenswandel einher, der im wahrsten Sinne des Wortes schwerwiegende Folgen hat. In vielen Industrieländern ist laut WHO über die Hälfte der Menschen übergewichtig, jeder Dritte stark. Die Spuren kalorien- und fettreicher Nahrung lassen sich nicht nur an Hüften, Po und Bauch ablesen, sondern auch im Blut, wo verschiedene Fette zirkulieren, die über die Nahrung aufgenommen werden. Erhöhte Blutfettwerte wiederum gelten als Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall.
Die Forschungsgruppe von ETH-Professor Martin Fussenegger vom Departement Biosysteme in Basel hat nun ein Frühwarnsystem und eine Therapie in einem entwickelt. Dabei handelt es sich um einen implantierbaren genetischen Schaltkreis, der mehrheitlich aus menschlichen Gen-Komponenten zusammengesetzt ist. Einerseits überwacht er konstant die Werte im Blut zirkulierender Fette. Andererseits wirkt er rückkoppelnd und bildet als Reaktion auf übermäßig hohe Blutfettwerte einen Botenstoff, der dem Körper ein Sättigungsgefühl vermittelt. Um diesen hochkomplexen Regelkreis zu konstruieren, kombinierten die Biotechnologen verschiedene Gene, welche bestimmte Proteine und Reaktionsschritte hervorbringen. Das Konstrukt brachten sie in menschliche Zellen und diese wiederum in winzige Kapseln ein.
Die Forscher untersuchten mit fetthaltiger Nahrung gemästete, übergewichtige Mäuse. Nachdem sie ihnen die Kapseln mit dem Gen-Regelkreis implantierten und sich dieser wegen den übermäßig erhöhten Werten einschaltete, hörten die adipösen Mäuse auf zu fressen. In der Folge nahm ihr Körpergewicht messbar ab. Auch die Blutfettwerte normalisierten sich, sodass der Regelkreis die Bildung des Sättigungssignals einstellte. „Wir haben die Mäuse nicht auf Diät gesetzt, sondern stellten den Tieren weiterhin kalorienreiche Nahrung ‚à discrétion’ zur Verfügung“, betont Fussenegger. Die Tiere hätten weniger gefressen, weil ihnen das Implantat das Sättigungsgefühl aufgrund der Blutfettwerte signalisierte. Mäuse, die normales Tierfutter mit fünf Prozent Fettanteil erhielten, hätten kein Gewicht verloren und die Nahrungsaufnahme auch nicht reduziert, sagt der Biotechnologe.
Ein großer Vorteil des neuen synthetischen Regelkreises ist, dass er nicht nur eine Sorte Fett, sondern gleichzeitig mehrere gesättigte und ungesättigte, tierische wie pflanzliche Fette im Körper messen kann. Diese Entwicklung lässt sich allerdings nicht einfach auf den Menschen übertragen. Ein entsprechendes Produkt zu entwickeln, dauert Jahre. Fussenegger kann sich aber durchaus vorstellen, dass man dereinst fettleibigen Menschen mit einem Body Mass Index von weit über 30 ein derartiges Gen-Netzwerk implantieren könnte, um ihnen beim Abnehmen zu helfen. Fussenegger sieht die Entwicklung als mögliche Alternative zu chirurgischen Eingriffen wie Fettabsaugen oder einem Magenband. „Unser Implantat hätte den Vorteil, dass es ohne solch schwere Eingriffe eingesetzt werden kann.“ Ein weiterer Vorzug sei: Es greift nicht in einen schwierig zu regulierenden Krankheitsverlauf ein, sondern wirkt präventiv und nützt den natürlichen Sättigungsmechanismus des Menschen aus. Originalpublikation: A closed-loop synthetic gene circuit for the treatment of diet-induced obesity in mice Katrin Rössger et al.; Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms3825; 2013