Seit 1. Oktober ist ein neuer Großhändler aktiv: AEP direkt wirbt mit transparenten Konditionen, verständlichen Rechnungen und mit einer guten Verfügbarkeit etlicher Medikamente. Von Konkurrenten anfangs belächelt, musste so mancher Grossist erkennen, dass der Markt plötzlich in Bewegung gerät.
„Deutschland braucht kein zweites Nachrichtenmagazin“, musste sich der „Focus“ vor 20 Jahren sagen lassen – und böse Zungen irrten sich gewaltig. Eine ähnliche Frage: Brauchen wir weitere pharmazeutische Großhändler? DocCheck sprach dazu mit Jens Graefe. Er ist Geschäftsführer von AEP direkt. Hinter dem Kürzel verbirgt sich „Apothekeneinkaufspartner“ – ein neuer Grossist, der seit Oktober alle Apotheken in Deutschland beliefert. Anteilseigner sind die österreichische Post (44 Prozent), Österreichs ehemaliger Wirtschaftsminister Dr. Martin Bartenstein (26 Prozent), private Fonds der Fuchs Capital (18 Prozent) sowie Eckert Wagniskapital (12 Prozent). Graefe selbst war sieben Jahre lang Leiter des Bereiches Business Development bei der Celesio, sein Co-Geschäftsführer Markus Eckermann langjähriger Geschäftsführer für Marketing und Vertrieb bei der Gehe.
Ein Blick auf das Geschäftsumfeld selbst: Pro Jahr setzen pharmazeutische Großhändler bundesweit etwa 25 Milliarden Euro um. „Es gibt fünf Spieler im Markt, die alle weitgehend das selbe anbieten“, sagt Graefe. Derzeit sind die Andreae-Noris Zahn AG (ANZAG), die GEHE Pharma Handel GmbH (Celesio AG), die NOWEDA eG Apothekergenossenschaft und die Phoenix Pharmahandel GmbH & Co. KG bundesweit aktiv. Sie alle haben um die 20 Lager und beliefern Apotheken bis zu vier oder fünf Mal pro Tag – auf dem Land auch seltener. Private Großhändler kommen noch hinzu. Alle arbeiten „mit einem hohen Serviceniveau zu international betrachtet vergleichsweise hohen Kosten“, so Graefe weiter. Differenzierungen im Angebot gibt es kaum. Dafür toben Rabattschlachten, um Marktanteile zu gewinnen – ein „irrationales Spiel“. Graefe: „Wir haben uns gefragt, wie wir Apothekern ein Angebot machen können“ – mit „dauerhaften Top-Konditionen“.
Doch wo sparen? Lager lassen sich nicht einfach über Nacht zusperren, entsprechende Schließungskosten sind extrem hoch – und Konkurrenten würden Lücken umgehend schließen. Die neue Strategie: „Wir liefern aus einem Zentrallager in Alzenau bei Frankfurt.“ Dort lagern über 60.000 verschiedene Medikamente. Ein professioneller Logistiker, der ohnehin Tag für Tag zwischen 10.000 und 15.000 Apotheken anfährt, ist mit im Boot: Trans-o-flex verfügt über 2.500 Touren sowie 40 Verteilungszentren und beliefert die Apotheken einmal pro Tag. Apothekenleiter profitieren von besseren Konditionen – unabhängig von der bekannten Formel „je größer, je höher“. Graefe spricht von „einem einheitlichen Rabatt für alle, öffentlich und transparent“. Ausschlüsse, etwa für Mindermengen, Langsamdreher, BtMs oder Kühlware, gibt es nicht. Damit werde sich „die Branche verändern, durch das neues Angebot gibt es erstmals eine wirkliche Wahlmöglichkeit für den Apotheker “, erwartet der Geschäftsführer.
AEP direkt bietet Inhabern bei Bestellungen bis zu 70 Euro Apothekeneinkaufspreis drei Prozent Rabatt. Zwischen 70 und 1280 Euro gibt es zwei Prozent, und darüber pauschale Nachlässe. Ein ausschlussfreier Skonto von 2,5 Prozent kommt mit hinzu, sollte das Zahlungsziel der jeweiligen Dekade eingehalten werden. Damit strebe AEP „die Kosten- und Preisführerschaft an“, erklärt Graefe. Andere Grossisten bieten momentan im Schnitt etwa drei bis vier Prozent, mit starker Streuung: Umsatzstarke Apotheken können sich über sechs bis sieben Prozent freuen, während kleine Apotheken mit ein bis zwei Prozent abgespeist werden und schnell in wirtschaftliche Bedrängnis geraten. Je umsatzschwächer eine Apotheke ist, beziehungsweise je weiter sie von urbanen Ballungsräumen entfernt liegt, desto attraktiver sind auch die AEP-Konditionen im Vergleich zu anderen Großhändlern.
Damit allein hat sich AEP direkt jedoch nicht zufrieden gegeben. „Rechnungen des Großhandels kann heute keiner mehr verstehen“, kritisiert Jens Graefe. „Wir haben Monate gebraucht, entsprechende Aufstellungen zu entschlüsseln.“ Er schätzt, dass es mittlerweile 150 hauptamtliche Berater gibt, die einzig und allein Aufstellungen prüfen, um für Inhaber Sicherheit zu schaffen und gegebenenfalls enthaltene Fehler zu korrigieren. AEP direkt setzt lieber auf Dokumente mit wenigen Zeilen und gibt auch Beiträge der Industrie, „die bei Wettbewerbern gern mal in die Rabattversprechen reingerechnet werden“, eins zu eins weiter.
Die Resonanz solcher Angebote ist gut: „Wir stehen mit über 2.000 Apothekern in Kontakt, und haben Kunden im mittleren dreistelligen Bereich“, erklärt Graefe. Er habe nicht damit gerechnet, „so schnell so viel Zuspruch zu erfahren“. Auch würde sich der eine oder andere Wettbewerber mittlerweile Gedanken machen, wie die AEP den Markt jetzt wohl verändere. Das war nicht immer so: Anfangs bewertete Reimund Pohl, Vorsitzender der Geschäftsführung bei PHOENIX, den neuen Großhändler als „überflüssig wie einen Kropf“. Celesio-Vorstandssprecherin Dr. Marion Helmes wiederum erklärte, sie kenne die eigenen Stärken und die Beziehungen zu Kunden. Insofern „schauen wir uns das gelassen an“. Gehe-Chef André Blümel hingegen hielt AEP für „schlichtweg unnötig“. Und Apothekenleiter? Sie müssen verschiedene Argumente gegeneinander abwägen. Kleinere und mittlere Apotheken profitieren von Rabatten, ganz klar. Wie Kunden darauf reagieren, dass sie im schlimmsten Falle 24 Stunden auf ihre Medikamente warten, wird sich zeigen.