Bei Schwangerschaften in höherem Alter steigt die Häufigkeit fehlerhafter Chromosomenverteilungen. Als Folge können Trisomien auftreten. Forscher fanden nun heraus, welche Mechanismen in der Eizelle zur fehlerhaften Aufteilung von Chromosomen führen können.
Die in der Eizelle zunächst doppelt vorliegenden Chromosomen werden bis zum Moment der Zellteilung von einem molekularen Klebstoff namens „Cohesin“ zusammengehalten. Es handelt sich dabei um eine Ringstruktur aus Proteinen, die mit zunehmendem Alter auseinanderfällt. Dies kann zu einer fehlerhaften Aufteilung der Chromosomen führen. Diese Fehlbildungen führen häufig zur Entstehung von Down-Syndrom (Trisomie 21), Edwards-Syndrom (Trisomie 18) oder Klinefelter-Syndrom (XXY-Syndrom). Der IMBA-Wissenschaftlerin Kikuë Tachibana-Konwalski und ihrem Team ist es nun gelungen, den Zusammenhang zwischen Cohesin und einem wesentlichen Kontrollpunkt im Prozess der Chromosomenverteilung zu entschlüsseln.
Bei der Zellteilung müssen sich zunächst alle Chromosomen an die mitotische Spindel zwischen beiden Polen anheften. Man hat bereits herausgefunden, dass ein gewisser Kontrollpunkt (Spindle Assembly Checkpoint – SAC) hierbei eine wichtige Rolle spielt. Wird dieser ‚Checkpoint‘ überwunden, werden Chromosomen frühzeitig und damit möglicherweise fehlerhaft auf die Tochterzellen verteilt. In ihren früheren Arbeiten hat Tachibana-Konwalski bereits herausgefunden, dass Cohesin eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt der Chromosomen vor der Befruchtung der Eizelle spielt. Aufbauend auf diese Erkenntnis, konnte die Genetikerin nun zeigen, dass Cohesin für die Regulierung des Kontrollpunktes in der Eizelle benötigt wird. Da aber mit zunehmendem Alter die Cohesinmenge in den Eizellen abnimmt, kann auch die Regulierung des Kontrollpunktes nicht mehr zuverlässig erfolgen. Das Risiko von fehlerhaften Chromosomenverteilungen und Fehlgeburten könnte sich dadurch drastisch erhöhen . Aneuploid Mouse Eggcell. © IMBA
Um herauszufinden, welche Rolle Cohesin in der Eizelle noch spielen kann, wenden die Wissenschaftler eine hochspezifische Schnitttechnik für Proteine an. Diese sogenannte „TEV Protease“, an deren Entwicklung Tachibana-Konwalski maßgeblich mitgewirkt hat, ermöglicht es den Forschern, Cohesin in der Zelle gezielt stillzulegen, während es anderswo seine Funktion weiterhin normal ausführen kann. Aber anstatt den Kontrollpunkt durch die Deaktivierung von Cohesin anzuschalten und damit die Zellteilung zu stoppen, blieb die erwartete Aktivierung aus, was zur Bildung zahlreicher fehlerhafter Eizellen führte.
„Tritt die Trisomie bei Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren nur bei etwa drei Prozent aller klinisch erkannten Schwangerschaften auf, sind es bei Frauen im Alter von 40 Jahren bereits 30 Prozent. Dieser Aspekt ist vor allem wichtig, da Frauen heute immer später Mütter werden“, betont Tachibana-Konwalski. In Zukunft möchte sie die Chromosomenverteilung in Eizellen weiter erforschen und Methoden entwickeln, wie man älteren Frauen zu gesunden Eizellen verhelfen kann. Originalpublikation: Spindle Assembly Checkpoint of Oocytes Depends on a Kinetochore Structure Determined by Cohesin in Meiosis I Kikuë Tachibana-Konwalski et al.; Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2013.10.052; 2013