Das Wetter ist ungemütlich, die Sonnenstunden kann man zählen und unserem Körper und dem Geist fehlt Licht. Nicht Wenige klagen über schlechte Laune oder gar Depressionen.
Die sogenannte Winter- oder Lichtmangeldepression – auch saisonal abhängige Depression (SAD) genannt – ist von alters her bekannt. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Typische Beschwerden sind Antriebslosigkeit, Gereiztheit, Appetit- und Gewichtsverlust. Diese Depressionsform ist nicht nur saisonal, sondern auch regional. Bewohner der sonnenverwöhnten Mittelmeerländer sind kaum betroffen. Die Menschen in Skandinavien können hingegen ein (Trauer)Lied davon singen. Dr. Norman Rosenthal vom National Institute for Mental Health in Washington beschreibt diese Depressionsform, bei der die depressiven Phasen häufig im Winter auftreten, meist im Frühjahr überstanden sind und auch atypische Depressionssymptome beklagt werden: Die Patienten haben ein verstärktes Schlafbedürfnis, mehr Appetit, vor allem auf Kohlenhydrate, und nehmen in der depressiven Phase zu. Bei der Revision des amerikanischen Diagnose-Klassifikationssystems „Diagnostic and Statistical Manual“ (DSM-III) ist die „Seasonal affective disorder“ in den Diagnosenkatalog aufgenommen worden und findet sich auch im heutigen DSM-IV.
Warum diese Verstimmung gerade zur Winterzeit auftritt, hat mehrere Gründe. Mit der Wichtigste ist sicherlich die fehlende Sonnenstrahlung. Das Licht und die UV-Strahlung der Sonne haben ganz unterschiedliche Auswirkungen auf unseren Körper. Wenn unser Gehirn über die Augen Helligkeit wahrnimmt, sinkt der Melatoninspiegel. Fehlt Licht, ist es genau umgekehrt: Melatonin wird vermehrt freigesetzt. Normalerweise wird Melatonin nur freigesetzt, wenn wir unserem Körper Schlafbereitschaft signalisieren. Unser Körper macht sich also dann tagsüber schlafbereit und wir werden müde. Für unsere Stimmungslage sind neben den Endorphinen auch der Botenstoff Serotonin zuständig. Wenig Licht, wenig Serotonin, viel dunkle Stimmung. Der Serotoninspiegel beeinflusst direkt den Schlaf-Wach-Rhythmus, die Appetit-Kontrolle und das Schmerzempfinden. Bei Patienten mit Depressionen ist der cerebrale Serotoningehalt um 50 Prozent vermindert.
Was also tun? Raus ins Freie. In der Wohnung herrscht eine Lichtstärke von etwa 300 bis 500 Lux. Selbst an trüben Tagen und wolkenbedecktem Himmel sind es im Freien immerhin noch mindestens 1.000 Lux. Wenn dann an der frischen Luft noch Sport getrieben wird, schüttet der Körper zusätzlich Endorphine aus. Spezielle Tageslichtlampen ahmen teilweise das Lichtspektrum der Sonne nach und vertreiben mit 2.500 oder mehr Lux trübe Gedanken. Eine morgendliche halbstündige Behandlung mit polychromatischem Licht einer Stärke von 10. 000 Lux führt in einer Studie von Wirz-Justice bei ca. 60-75 Prozent der saisonal depressiven Patienten zu einer Remission. Eine Studie von Benedetti ergab, dass die depressiven Patienten einer Psychiatrieklinik im Schnitt 3,7 Tage eher entlassen werden, deren Zimmer auf der Sonnenseite liegt.
Die Sonne ist aber nicht nur Licht- und Gute-Laune-Spender. Die UV-Strahlung ist wichtig für die Bildung von Vitamin D3. Genau genommen ist Cholecalciferol gar kein Vitamin, sondern ein Hormon, weil es der Körper selber bilden kann. Es wird in verschiedenen Schritten in das biologisch aktive 1,25-Dihydroxy-Vitamin D (Calcitriol) umgewandelt. Calcitriol (Vitamin D-Hormon) übt seine physiologischen Effekte überwiegend über die Wechselwirkung mit Vitamin D-Rezeptoren (VDR) aus. Diese wurden in über 30 Zielgeweben gefunden, die nichts mit dem Knochenstoffwechsel zu tun haben. 80 Prozent unseres Vitamin D wird aus Vorstufen durch das Sonnenlicht gebildet. In Deutschland reicht die Stärke der Sonnenbestrahlung nur etwa sechs Monate im Jahr aus, um eine ausreichende Vitamin D-Bildung zu gewährleisten. Eine Studie der Universität Amsterdam belegt, dass bei Patienten mit Depressionen der Vitamin D-Gehalt im Blut durchschnittlich 14 Prozent niedriger ist. Vermutlich trägt ein Mangel in der Herbst- und Winterzeit dazu bei, dass wir uns häufiger erkälten. Bei einem niedrigen Vitamin D-Serumspiegel ist etwa das Erkältungsrisiko um 40 Prozent höher, als bei ausreichender Vitamin D-Versorgung. Das hat eine US-Studie mit etwa 19.000 Teilnehmern ergeben. Mehrere Ernährungsgesellschaften haben ihre Empfehlungen zur Vitamin D-Zufuhr überarbeitet: Die Richtwerte wurden 2012 deutlich nach oben korrigiert. Die Empfehlungen wurden von 5 µg (200 IE) auf 20 µg (800 IE) für Erwachsene angehoben. So drastisch wurde ein Wert noch nie nach oben korrigiert.
In der Nervenzelle wird aus der Aminosäure L-Tryptophan mit Hilfe des Enzyms Tryptophanhydrolase 5-Hydroxytryptophan (5-HTP) gebildet. Danach folgt die Umwandlung in 5-Hydroxytryptamin (5-HT), auch als Serotonin bekannt. Bei einer eingeschränkten Enzymaktivität kann der Serotoninspiegel sinken. Für die Umwandlung von L-Tryptophan wird außerdem ein Carrier benötigt. Führt man 5-HTP exogen zu, entfällt dieser Unsicherheitsfaktor. Etwa 7 Prozent des oral aufgenommenen 5-HTP werden resorbiert und passieren die Blut-Hirn-Schranke. In der Epiphyse wird im weiteren Verlauf aus Serotonin das Schlaf-Hormon Melatonin gebildet. Durch eine exogene, orale Substitution von 5-HTP wird der Serotoningehalt im synaptischen Spalt erhöht und so eine antidepressive Wirkung erzielt. Eine Metaanalyse von Shaw et al. belegt die Effizienz und Unbedenklichkeit des Einsatzes von 5-HTP als natürliches Antidepressivum. Ein Großteil der Patienten mit Depressionen leidet unter Schlafstörungen, meist ist dies sogar das erste Symptom. Ein reduzierter Serotoninspiegel führt vermutlich auch zu reduzierten Melatonin-Werten, besonders bei betagten Patienten. Eine exogene Substitution von 5-HTP kann über diesen Mechanismus ein gestörtes Schlafverhalten und Schlaflosigkeit normalisieren.
In einigen afrikanischen Pflanzen- und Früchtearten sind kleinste Spuren von 5-HTP und Serotonin enthalten. In einigen Bananensorten sind LT, 5-HTP und Serotonin bis zu Konzentrationen von 6-14 Prozent nachgewiesen. Die Afrikanische Schwarzbohne (Griffonia simplicifolia) ist eine verholzende Schlingpflanze aus der Familie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae), die im Regenwald Westafrikas wächst. Sie enthält 5-HTP in hoher Konzentration. Griffonia greift multifaktoriell regulierend in das neurochemische Transmittergleichgewicht ein. 5-HTP ist ebenfalls die Vorstufe von Noradrenalin und ß-Endorphinen, beide Transmitter sind in die Entstehung von Depressionen, Angststörungen und anderer psychischer Erkrankungen eingebunden. Auch die exogene Zufuhr von L-Tryptophan ist möglich, jedoch sind hierzu große Mengen (1-2 g) notwendig und der Metabolismus ist abhängig von einem störungsfreien Genpol und dem Mikronährstoffstatus wie beispielsweise Vitamin B6. Auch Melatonin steht als Arzneimittel zur oralen Anwendung zur Verfügung. In retardierter Form ist es bei Schlafstörungen des älteren Patienten zugelassen. Als Nahrungsergänzungsmittel wird es gegen Jet-lag angewendet. Da 5-HTP keinen Carrier für die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke benötigt, ist es nach oraler Aufnahme in hohen Konzentrationen im ZNS nachweisbar; bei L-Tryptophan beträgt die Bioverfügbarkeit lediglich etwa 1 Prozent. Auch deshalb wird L-Tryptophan um 1000 Prozent höher dosiert als 5-HTP.