Im Winter quält uns oft eisige Kälte, Schnee und Eis lassen Extremitäten gefühllos werden. Extreme Kälte hingegen kann aber auch zu zwei Notfallsituationen führen: Unterkühlungen und Erfrierungen. Welche Sofortmaßnahmen helfen bei Hypothermie?
Der Mensch als biologisches Heizkraftwerk läuft mit einer Betriebstemperatur von 37 ° C. Der wärmste Ort im Körper ist die Leber. Wegen ihrer extremen Stoffwechselleistung ist sie ein „hot spot“. Da die Umgebungstemperatur meistens niedriger ist, gibt der Körper ständig Wärme ab. Ändert sich die Betriebstemperatur, schrillt die Alarmglocke, denn Schwankungen können zu Störungen der Homöostase führen. Die Folgen können Gerinnungsstörungen, kardiovaskuläre, renale oder immunologische Schäden sein.
Bei einer Unterkühlung sinkt die Körpertemperatur unter 35° C ab. Kaltes Wasser, Ski- oder Lawinenunfälle im Gebirge und die Zufuhr größerer Mengen von Alkohol im Kalten sind typische Gefahrenquellen. Das auffälligste Symptom ist das Muskelzittern, mit dem der Körper versucht, sich selber zu erwärmen. Dieser Prozess geht mit einem bis zu fünffach erhöhten Energieverbrauch und einer Entleerung der Glykogenspeicher einher. Diabetiker können bei fehlender oder nicht adäquater Kohlenhydrat- und Wärmezufuhr rasch in eine Hypoglykämie abrutschen. Da die Kohlendioxidproduktion ansteigt, atmet der Patient häufiger. Bei Temperaturen unter 33° hört das Zittern auf und die Extremitäten und Gelenke werden steif. Sackt die Körpertemperatur noch weiter ab, drohen Herzrhythmusstörungen, das Herz schlägt langsamer, das Blut dickt ein und versorgt den Organismus nicht mehr mit genügend Sauerstoff.
Die wesentliche Sofortmaßnahme der Hypothermie Grad 1 ist der Schutz des Patienten vor Wind und weiterer Auskühlung. Solange die Muskeln zittern, sollte keine aktive Bewegung erfolgen. Die Zufuhr von warmen, gezuckerten Getränken und Schokolade, Müsliriegeln oder anderen Kohlenhydraten füllt die entleerten Depots wieder auf. Ist der Patient bei Grad 2 noch ansprechbar, gibt man ebenfalls Kohlenhydrate und warme Getränke. Eine aktive oder auch passive Bewegung sollte auch hier vermieden werden, da dies zum Bergungstod durch Kammerflimmern führen kann. Ist bei Grad 3 und 4 der Patient nicht mehr ansprechbar, gilt vor der Feststellung des Todes immer noch das Gregorys Prinzip von 1972: „Nobody is dead until rewarmed and dead.“
Oft ist der Patient unterzuckert. Deshalb sind warme zuckerhaltige Getränke sinnvoll. Keinesfalls Alkohol. Die gefäßerweiternde Wirkung würde die Auskühlung und die Hypoglykämie verstärken. Jede ausgeprägte Unterkühlung kann lebensbedrohlich sein und ist eine Indikation für eine stationäre Aufnahme. Der Patient sollte am besten in eine isolierende Decke gewickelt werden. Nach DIN 13164 ist in jedem Verbandkasten eine Rettungsdecke enthalten. Eine mindestens 12 μm dünne, reißfeste, transparente und wasserdichte Polyesterfolie (PET) oder Polypropylenfolie (PP), die lackiert oder eingefärbt ist. Die Folie ist hauchdünn mit Aluminium bedampft. Hält man sie gegen das Licht, erscheint eine Seite silbern, die andere golden. Welche Seite muss nun zum Körper gewandt sein?
Die silberne Seite der Rettungsdecke ist in der Lage, 96 Prozent der senkrecht auftretenden Wärmestrahlung zu reflektieren und somit dem menschlichen Körper wieder zur Verfügung zu stellen. Auf der Goldseite sind es immerhin noch 83 Prozent. Durch den Aufbau eines Luftpolsters zwischen dem Körper und der Rettungsdecke bildet sich ein isolierendes Wärmepolster. Das Prinzip der Rettungsdecke ist Reflektion und nicht Isolation. Sie schützt also den Patienten nicht vor der Kälte eines ausgekühlten Fußbodens. Die Decke sollte am bekleideten Patienten anmodelliert werden, nur das Gesicht bleibt frei. Bei Erfrierungen und gleichzeitiger Hypothermie werden beide Kälteschäden simultan versorgt, wobei die Hypothermie immer Vorrang hat. Die Wiedererwärmung einer Erfrierung erfolgt im ansteigend handwarmen Wasserbad von etwa 37 ° C. Einreiben mit Schnee ist strikt kontraindiziert.
Bei Bewusstlosigkeit wird der Patient in die stabile Seitenlage gebracht. Falsch wäre ein heißes Bad. Das kalte Blut würde dadurch in den Körperstamm gespült werden und saure Stoffwechselprodukte gelangen so zum Körperkern. Dadurch können Rhythmusstörungen und eine unerwünschte Gefäßerweiterung ausgelöst werden. Angewärmte, langsam einlaufende Infusionen mit Ringer- oder Kochsalzlösung „heizen“ innerlich ein. Bei einer Erfrierung liegt eine örtliche Schädigung des Gewebes vor. Dies passiert dann, wenn einzelne Körperregionen über längere Zeit intensiver Kälte ausgesetzt sind. Die typischen Mechanismen zur Wärmeerhaltung versagen und ein Gewebeschaden tritt ein. Nicht erst bei Minusgraden droht diese Gefahr. Auch bei Temperaturen oberhalb des Gefrierpunktes kann es zu Erfrierungen kommen, wenn die Luftfeuchtigkeit besonders hoch ist, die betroffenen Körperregionen wie Finger, Zehen, Nase und Ohren schlecht durchblutet sind oder Alkoholgenuss die Gefäße erweitert hat. Die Erfrierung wird in vier Schweregrade unterteilt:
Die betroffenen Körperteile dürfen nur sehr langsam und vorsichtig erwärmt werden. Keinesfalls mit heißem Wasser oder hyperämisierenden Salben behandeln. Zum Erwärmen nutzt man primär die Körperwärme des Betroffenen. Die erfrorenen Körperregionen werden dazu warm eingepackt. Unterstützend können erwärmende Wasserbäder durchgeführt werden. Die Wassertemperatur sollte langsam von 10 bis 38° C ansteigen. Kein Rubbeln oder Reiben. Gerade empfindliche Körperteile wie Ohren oder Nase könnten geschädigt werden.
Eine Erfrierung verläuft nicht immer komplikationslos. Lokale Kälteschäden in Form von Frostbeulen sind zwar harmlos, für den Patienten jedoch extrem belastend. Bei Therapieversagen lohnt die Differentialdiagnose. Von den Auswirkungen des Frostes wird der Betroffene mitunter sehr lange Zeit geplagt. Der Volksmund bezeichnet die kältebedingten Gewebeschäden als Frostbeulen, fachlich korrekt als Pernio. Bei starker Kälteexposition verengen sich die Gefäße extrem und es können Verschlüsse peripherer Arterien und Arteriolen mit konsekutiver Schädigung aller Gewebe auftreten. Sekundärsymptome sind Akrozyanose, Kältegefühl, Hypo- und Parästhesien sowie Schweißneigung der Haut. Die Frostbeulen zeigen sich als rundliche, teigige, livide bis eurostückgroße Schwellungen. Auch mit Flüssigkeit gefüllte Blasen und Ulzerationen sind möglich. Typischerweise treten bei Erwärmung juckende und brennende Schwellungen auf. Die Hautveränderungen treten bevorzugt an den Vorder- und Außenseiten der Unterschenkel sowie den Dorsalseiten der Hände, Füße und Zehen auf. Bei wiederholtem Auftreten kommt es zu Atrophie und Vernarbung der betroffenen Areale. Vielfach treten Frostbeulen bei Jugendlichen in Kombination mit Akrozyanose, Cutis marmorata sowie Erythrocyanosis crurum puellarum und Hyperhidrose auf. Nicht jede bei Kälte schmerzende Stelle ist eine Frostbeule. Gerade wenn die Beschwerden der Therapie trotzen und immer wiederkehren, bedarf es einer effizienten Differentialdiagnose. Bestimmte Leukämieformen, Anorexia nervosa, Macroglobulinaemie, Morbus Raynaud, diabetische Angiopathien, Lupus erythematodes und lokale Schäden durch Chemikalien können vergleichbare Symptome verursachen.
Zur Therapie der Frostbeulen werden unterschiedliche Substanzen, meist auf empirischer Grundlage, eingesetzt. In der Literatur werden u. a. topische und systemische Steroide, Calcium i.v. und UVB-Strahlung beschrieben. Hilfreich und nebenwirkungsarm ist die Lokaltherapie mit hyperämisierenden Salben. Die Inhaltsstoffe sollten aber nicht so potent sein, dass sie das gesamte Blut aus dem Extremitätenstamm in die Peripherie treiben. Genügen diese Maßnahmen nicht, kann man den Beschwerden mit durchblutungsfördernden Mitteln wie Naftidrofuryl oder Pentoxifyllin vorbeugen. Auch die Gabe von 100 mg/d Acetylsalicylsäure zur Thrombozytenaggregationshemmung bringt mehr Blut und damit Sauerstoff in die betroffenen Gebiete. In der Langzeitbehandlung empfehlen sich Kalziumantagonisten vom Nifedipintyp, von denen ansteigend mit 3 mal 1 Tropfen begonnen wird. Die Tagesdosis kann bis zu 10 mg betragen. Die vasodilatierende Wirkung auf periphere Gefäße bringt mehr Blut in die Akren und beugt den Beschwerden vor. Auch Nitrate sind einen Versuch wert. Nitroglycerin scheint besser als ISDN geeignet zu sein, da letzteres zu wenig lipophil ist.