Teststreifen zur Bestimmung der Blutglukose werden online extrem günstig angeboten. Ein Ökonom hat den Markt untersucht – und wittert Versicherungsbetrug: Als Verkäufer treten oft Patienten gesetzlicher Krankenversicherungen, Pflegekräfte oder Praxisangestellte auf.
Blutzuckerteststreifen sind für viele Menschen –insbesondere insulinpflichtige Diabetiker– lebensnotwendig. Nicht jede Kasse finanziert die nützlichen Helfer. Bei privaten Krankenversicherungen handelt es sich meist um Wahltarife und gesetzliche Krankenversicherungen zeigen sich häufig knausrig, wenn es sich um einen Prädiabetes handelt. Doch warum sollten Patienten in die Apotheke gehen, wenn es doch im Web alle Artikel vermeintlich günstiger gibt? Professor Dr. Heiko Burchert von der Fachhochschule Bielefeld untersuchte dieses Marktsegment im Detail.
Der Wissenschaftler erfasste Preise aus diversen Internetportalen und verglich seine Zahlen mit denen im regulären Handel. Im Web treten neben seriösen Anbietern auch private Händler in Erscheinung. Durchschnittliche Verkaufspreise von niedrigen 18,50 Euro für eine Packung mit 50 Teststreifen ließen den Verdacht aufkommen, dass die Ware zuvor selbst nicht käuflich erworben wurde, konstatiert Burchert. Vielmehr stelle sich die Frage nach der Herkunft. „Unsere Untersuchungen belegen deutlich, dass die Versicherten, also die Diabetiker selbst, oftmals auch die Verkäufer sind“, berichtet der Experte. Als weitere Verkäufergruppen identifizierte er Personen „nahe am Diabetiker“. Das können Angehörige sein, aber auch Mitarbeiter von Pflegediensten, Heimen oder von diabetologischen Schwerpunktpraxen. Dazu ein paar Zahlen: Während Diabetiker mit dem Verkauf von Teststreifen maximal 200 bis 300 Euro pro Jahr verdienen, stieß Buchert auf Spitzenverdiener mit bis zu 18.000 Euro pro Jahr.
Anschließend versuchte Burchert herauszufinden, wer überhaupt preisgünstige Teststreifen bei privaten Online-Anbietern bestellt. „Privatversicherte Diabetiker haben zumeist einen Tarif gewählt, in welchem die Arzneimittelkosten ausgespart sind. Die günstigen Online-Angebote geben ihnen Recht.“ Hinzu kämen aber auch GKV-Versicherte ohne Anspruch.
Der Experte will vor allem Verkäufern das Handwerk legen. Er geht davon aus, dass knapp 13.000 private Verkäufer jährlich rund 27,7 Millionen Teststreifen in Deutschland verkaufen. Darin lasse sich ein „ernster finanzieller Schaden für die gesetzlichen Krankenversicherungen in Höhe von rund 15 Millionen Euro pro Jahr erkennen“. Um den Schwarzmarkt einzudämmen, sind Gespräche mit dem GKV-Spitzenverband geplant. Auch der Einsatz telemedizinischer Systeme zur Betreuung insulinpflichtiger Diabetiker könnte dazu beitragen, unerwünschte Verkäufe zu verhindern.