Das zentrale Thema in 2014: Brauchen Apotheker ein Leitbild und – falls ja – welche Schwerpunkte sollen damit verfolgt werden? Von einem Konsens sind alle Beteiligten noch meilenweit entfernt. Doch der Zug könnte bald abgefahren sein. Es ist an der Zeit, schnell aufzuspringen.
Seit das Thema Leitbild beim letzten Apothekertag von Kollegen diskutiert worden ist, gibt es mehr Fragen als Antworten: Welche Zielsetzung soll eigentlich verfolgt werden? Geht es eher um Tätigkeitsschwerpunkte der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände oder um neue Aufgabenfelder öffentlicher Apotheken? Und wie schnell ist mit einem konsensfähigen Entwurf zu rechnen?
Stein des neuerlichen Anstoßes war ein Weihnachtsschreiben von Jens Dobbert, seines Zeichens Präsident der Landesapothekerkammer Brandenburg. Er kritisierte zunächst die ablehnende Haltung der ABDA-Mitgliederversammlung zu Anträgen seiner LAK. Zeitgleich forderte Dobbert alle Kollegen auf, sich aktiv an der Leitbilddiskussion zu beteiligen. Das wiederum rief BasisApotheker-WL um Gunnar Müller, Detmold, auf den Plan. Sie forderten von der westfälisch-lippischen Kammerpräsidentin Gabriele Overwiening umgehend einen Fahrplan in Richtung Leitbild. Sie lädt bereits am 27. Januar zu einer Infoveranstaltung mit ABDA-Chef Friedemann Schmidt ein.
Schmidt selbst hatte in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bereits wichtige Meilensteine formuliert. Neue Dienstleistungen existieren momentan lediglich als frommer Wunsch. Und so fordert der ABDA-Präsident von Delegierten des Apothekertags „Mut zur Verantwortung und Haftung“ und „Mut, eingefahrene Gleise zu verlassen“. Für ihn sind neben Patienten Ärzte eine wichtige Zielgruppe. Pharmazeuten punkten laut Schmidt nicht nur mit ihrem Wissen, sondern – im Gegensatz zu Praxen – mit neuester Software, um Unverträglichkeiten und Wechselwirkungen aufzuspüren. Er stellt fest, junge Heilberufler unterschiedlicher Profession würden sich bereits heute stärker vernetzen als noch vor einer Generation. Hinzu kommt, dass Arzneimittel des Bestandsmarkts nicht mehr hinsichtlich ihres Nutzens überprüft werden – ein weiteres Betätigungsfeld, um Ärzte zu beraten. Doch ganz so rosig sieht die Sache nicht aus. Beide Seiten sind von einer Partnerschaft auf Augenhöhe weit entfernt.
So laborieren Ärzte und Apotheker seit mehr als zwei Jahren am Zukunftskonzept Arzneimittelversorgung, besser bekannt als ABDA-KBV-Modell, herum, sehr zum Ärger der Gesundheitspolitik. Medizinern gefiel es gar nicht, plötzlich nur noch Wirkstoffe inklusive Dosierung und Therapiedauer aufzuschreiben, die eigentliche Präparatewahl aber in pharmazeutische Hände zu legen. Immerhin startet nach langem Tauziehen jetzt das Modellprojekt „ARMIN“ (Arzneimittelinitiative Sachsen/Thüringen). Interessierte Apotheker und Ärzte können sich dafür einschreiben. Inhaltlich beginnt ARMIN mit den Modulen Wirkstoffverordnung und Medikationskatalog – ein Medikationsmanagement soll Mitte des Jahres folgen. Am Interesse der Apothekerschaft zweifelt niemand. Laut einer aktuellen Umfrage des Kölner Instituts für Handelsforschung wollen sich Inhaber noch stärker auf heilberufliche Leistungen fokussieren und von Konkurrenten abgrenzen. Wichtig ist, für Kunden einen sichtbaren, apothekenexklusiven Mehrwert zu schaffen. Als wichtiges Thema nannten mehr als 80 Prozent aller Befragten Angebote in Richtung Prävention.
Björn Kersting, ein Kollege der Basis aus Leipzig, gibt sich damit nicht zufrieden. In einem offenen Brief an Friedemann Schmidt stellt er die Frage, warum eine Leitbilddiskussion überhaupt erforderlich sei. „Unser Beruf entstammt dem Edikt von Salerno und wurde in modernen Worten gesprochen als Verbraucherschützer für den Patienten und als Kontrollinstanz vom Arzt geschaffen. Dieses Rollenverständnis scheint leider abhandengekommen zu sein, geschweige denn der Bevölkerung vermittelt.“ Darin läge die Aufgabe der ABDA und der nun engagierten Kommunikationsagentur Cyrano. Kersting weiter: „Denn so zu arbeiten, wie Sie und die ABDA es sich für 2030 wünschen, kann man schon heute – wenn man will!“ Dazu gehört für den Kollegen, nicht nach Margen zu empfehlen, sondern nach bestem Wissen und Gewissen. „Doch ich habe nicht die Größe, um auf Dauer allein zu überleben, denn der Prozess der Teilhabe weniger am System – unterstützt von der ABDA – ist weiter im Gange“, sagt Kersting. Für ihn zeigt sich das beilspielhaft an kleinen Centerapothekern mit starker OTC-Lastigkeit, aber geringem Rx-Anteil, die aufgrund gesetzlicher und ökonomischer Rahmenbedingungen kaum noch Chancen hätten.
Diese Aspekte verdeutlichen, wie wichtig es ist, Kollegen mit unterschiedlichen beruflichen Schwerpunkten einzubinden und deren Meinungen zu berücksichtigen. Deshalb will die ABDA Eckpunkte ihres Leitbildentwurfs vom 1. bis zum 20. Februar online diskutieren. Bleibt zu hoffen, dass Inhaber und angestellte Apotheker gleichermaßen einen Zugang erhalten, um ihr Feedback abzugeben.