Forscher haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dessen Hilfe Brustkrebs zukünftig früher entdeckt werden könnte. Es nutzt aus, dass Röntgenstrahlung auf dem Weg durch das Gewebe nicht absorbiert, sondern gebrochen wird und bildet auch kleinste Gewebeanomalien ab.
Die Mammographie ist das Standardverfahren, um Brustkrebs zu entdecken. Doch nicht immer gelingt eine sichere Diagnose, denn unterschiedliche Gewebedichten in den Brüsten der untersuchten Frauen erschweren die Interpretation der Röntgenaufnahme. Schweizer Forscher haben nun eine neue Technik erprobt, mit der aussagekräftigere Mammographien gelingen. Wie die Wissenschaftler um Professor Marco Stampanoni und Nik Hauser im Fachjournal Investigative Radiology berichten, führt das Verfahren zu einem schärferen Bild und kann so bereits kleinste Gewebeveränderungen sichtbar machen. "Röntgenstrahlen werden auf dem Weg durch das Brustgewebe nicht nur absorbiert, sondern auch gebrochen und gestreut", sagt Hauser, der Leiter des Interdisziplinären Brustzentrums am Kantonsspital Baden ist. "Die mit dem neuen Verfahren erzeugten Aufnahmen erfassen diese zusätzlichen Informationen und weisen deshalb einen verstärkten Kontrast auf." Dadurch, so der Mediziner, ließen sich Tumorgewebe und gesundes Gewebe besser unterscheiden.
Ursprünglich wurde das Verfahren entwickelt, um die Zusammensetzung von Materialien zu untersuchen. Die dabei verwendete sehr energiereiche Strahlung ist für den Einsatz am Menschen nicht geeignet. Deswegen mussten Stampanoni und seine Mitarbeiter vom Paul-Scherrer-Institut in Villigen die Methode für medizinische Zwecke anpassen. Statt eines Teilchenbeschleunigers nahmen sie eine Röntgenquelle, wie sie im klinischen Bereich verwendet wird. In den Strahlengang zwischen Röntgenquelle und Detektor montierten die Forscher drei zusätzliche Gitter, mit deren Hilfe die Richtungsänderungen des Röntgenlichts gemessen werden: "Sie sind so fein gebaut, dass wir in der Lage sind, damit minimalste Ablenkungen zu detektieren", erklärt Hauser. "Wenn wir die Gitter gegeneinander verschieben, sehen wir, wo es Verstärkungen und Auslöschungen der Signale gibt."
Insgesamt liest der Detektor Informationen für drei verschiedene Bilder ab und nicht wie bisher nur Informationen für ein Bild. Durch Übereinanderlegen der erfassten Bilder entsteht daraus eine verbesserte Mammographie. Hauser: "Mit der gleichen Strahlendosis können wir eine deutlich bessere Auflösung erhalten oder wir erzeugen mit einer kleineren Strahlendosis eine Aufnahme, die mit der normalen Mammographie vergleichbar ist." Um die Abbildungsqualität und die mögliche klinische Bedeutung des neuen Verfahrens zu testen, haben Hauser und seine Kollegen das Brustgewebe von 33 kurz zuvor operierten Brustkrebspatientinnen untersucht. Alle Studienteilnehmerinnen litten an fortgeschrittenem Krebs, so dass die behandelnden Ärzte die betroffenen Brüste abnehmen mussten. Das Team um Hauser fertigte nun sowohl mit der Standardmethode als auch mit dem neuen Verfahren Mammographien von den tumorbefallenen Brustgewebsproben an.
Anschließend bewerteten sechs erfahrene Radiologen die Aufnahmen nach verschiedenen Kriterien. Im ersten Durchgang waren alle Bilder durcheinander gemischt, so dass die Experten anhand der Reihenfolge nicht erkennen konnten, welche Aufnahme mit welcher Methode und von welcher Patientin gemacht worden war. Im zweiten Durchgang wurden den Radiologen die Bilder jeweils im direkten Vergleich vorgelegt, so dass fast immer schnell klar war, welche Aufnahme mit welcher Methode aufgenommen worden war. "Die Radiologen konnten die mit dem neuen Verfahren erzeugten Mammographien genauer einschätzen", berichtet Hauser. "Sie beurteilten diese Aufnahmen als schärfer und konnten besser feine Strukturen und kleinste Verkalkungen aufspüren." Diese so genannten Mikroverkalkungen können Aufschluss über das Vorliegen einer bösartigen Brustveränderung geben. Und da durch die gewonnene Bildschärfe bereits viel kleinere Strukturen dieser Art sichtbar werden, könnte mit der neuen Methode bereits die Erkennung von Brustkrebs in einem sehr frühen Vorstadium gelingen. "Dies wäre für die klinische Praxis äußerst vielversprechend", sagt Hauser. "Denn je früher man eine verdächtige Gewebeveränderung erkennt und behandeln kann, desto höher sind die Überlebenschancen."
Um Patientinnen direkt untersuchen zu können, wollen die Schweizer Forscher als nächstes die neu entwickelte Technik komplett in ein Gerät hineinpacken. Dann will das Team von Stampanoni und Hauser herausfinden, ob mit Hilfe der neuen Methode tatsächlich bei mehr Frauen Brustkrebs entdeckt werden kann als mit der konventionellen Mammografie. Auch wollen die Forscher im Zusammenhang mit diesen Studien die Frage beantworten, ob die verbesserte Technik womöglich nicht dazu führt, dass bei einer größeren Anzahl von Frauen fälschlicherweise ein Tumor diagnostiziert wird. Ein weiteres Einsatzgebiet des Verfahrens sieht Hauser in der Planung von Operationen: "Ärzte können genauer einschätzen, wie sie den chirurgischen Eingriff vornehmen müssen, um die Veränderungen vollständig aus dem gesunden Brustgewebe zu entfernen." Als ob das nicht genug wäre, denkt der Mediziner sogar noch einen Schritt weiter: "Unser Verfahren lässt sich nicht nur zweidimensional anwenden, sondern ist auch ausbaubar auf drei Dimensionen."