Viele Nahrungsmittel sollen die Fruchtbarkeit des Mannes steigern. Die aktuelle Datenlage zur Spermaqualität europäischer Männer unterstreicht die Notwendigkeit nach evidenzbasiertem Spermatuning.
Eine spanische Studie von Mendiola et al. zeichnet ein düsteres Bild für die Rentenprognosen: In den letzten Jahren ist die Konzentration der Spermien in der Samenflüssigkeit junger Männer im Schnitt um zwei Prozent pro Jahr zurückgegangen. Vor zehn Jahren betrug die Konzentration noch 72 Millionen Spermien pro Milliliter, jetzt sind es besorgniserregende 52 Millionen. Weniger als 40 Millionen Spermien pro Milliliter Samenflüssigkeit mindern die Fertilität deutlich. Eine groß angelegte aktuelle Studie aus Frankreich bestätigt die Ergebnisse. Die an 26.000 Männern durchgeführte Studie macht u. a. enge Unterhosen und Chemikalien dafür verantwortlich. Die umstrittene Kunststoffchemikalie Bisphenol A (BPA) reduziert offenbar die Zahl und Qualität von Spermien, zumindest bei starker beruflicher Exposition. Die Substanz wird als „Weichmacher“ eingesetzt. Neben dem zunehmenden Alter der Männer mit unerfülltem Kinderwunsch spielt auch die metabolische Situation des Mannes eine erhebliche Rolle bei Fruchtbarkeitsstörungen. Diabetiker haben ein geringeres Ejakulatvolumen und eine erhöhte Zahl von Samenzellen, die genetische Schäden aufweisen.
Einige Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln oder Functional Food überschlagen sich mit Werbelyrik. Abhilfe soll die Health-Claims-Verordnung des europäischen Parlaments schaffen. Im Juli 2007 hatte sich die Europäische Union verpflichtet, gesundheitsbezogene Werbeaussagen auf Lebensmitteln zu überprüfen und eine Positivliste erlaubter Aussagen zu veröffentlichen. Nach fast fünf Jahren war es soweit, im Mai 2012 wurde eine erste Liste mit 222 erlaubten gesundheitsbezogenen Aussagen veröffentlicht. Gesundheitsbezogene Aussagen, die nicht in der Positivliste aufgeführt sind, sind dann für Lebensmittel grundsätzlich verboten. Zielsetzung ist es, die Aussagen für den Verbraucher transparenter zu machen. Denn nur solche Versprechen dürfen gemacht werden, die von der Kommission geprüft und validiert sind. Die Verbraucherorganisation foodwatch sieht das anders. Durch die Verordnung ist es nun möglich, irreführende Aussagen gesetzeskonform auf Lebensmitteln unterzubringen. Auch Vitamine und Mineralstoffe, denen eine Steigerung der Spermienqualität nachgesagt wird, sind in der Verordnung zu finden.
„Zink trägt zur Erhaltung eines normalen Testosteronspiegels im Blut bei“ und „Zink trägt zu einer normalen Fruchtbarkeit und einer normalen Reproduktion bei“, das sind die Aussagen, die auf Lebens- oder Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden dürfen, die Zink enthalten. Werbeversprechen oder evidenzbasierte Aussage? Zink ist Bestandteil von antioxidativen Enzymen und wird zur Bildung von Testosteron benötigt. Fruchtbarkeitsstörungen sind nicht selten mit einem deutlichen Abfall des Zinkserumspiegels und des Gehaltes in der Plasmamembran der Spermien verknüpft. Die Beweglichkeit von Spermien wird maßgeblich von dem pH-Wert im Inneren der Zelle beeinflusst. Im Nebenhoden sind sie relativ „bewegungsfaul“. Nach dem Erreichen des weiblichen Genitaltraktes laufen sie zur Höchstform auf und legen einen Sprint zur weiblichen Eizelle hin. Verantwortlich für diese Prozesse sind Kanäle in der Zellmembran der Spermien, die Protonen ausschleusen und so den inneren pH-Wert erhöhen. Yuriy Kirichok von der University of California in San Francisco untersuchte den Protonen-Fluss in den Membranen der Spermienschwänze. Besonders im Schwanz des Spermiums sind viele Protonenkanäle lokalisiert. Die Aktivität dieser Hv1-Kanäle in den Zellmembranen wird vor allem durch den pH-Wert und die Zinkkonzentration außerhalb der Spermien gesteuert. Hohe Zinkkonzentrationen verhindern das vorzeitige Öffnen der Protonenkanäle. Erreichen die Spermien den weiblichen Genitaltrakt, werden durch den deutlichen Abfall der Zinkkonzentration und den Anstieg des pH-Wertes in der Umgebung der Spermien die Kanäle geöffnet und die Beweglichkeit der Samenzellen erhöht. Bei einem Zinkmangel neigen die Spermien zu einem „Frühstart“ und verbrauchen ihre Energie schon vor dem Erreichen ihres Ziels. THC im Cannabis besetzt übrigens dieselben Kanäle und mindert so die Beweglichkeit der Spermien. 33 Prozent des Zinks stammen aus Fleisch und Fleischwaren, 25 Prozent aus Milch, Milchprodukten und Eiern, 20 Prozent aus Getreideprodukten und etwa 22 Prozent aus sonstigen Quellen. Die Resorption ist bei proteinreichen Lebensmitteln tierischer Herkunft gut und bei ballaststoffreichen Vegetabilien schlecht. Daher ist die Gefahr des Zinkmangels bei geringem Konsum von Fleisch und Milch besonders hoch.
„Selen trägt zu einer normalen Spermabildung bei“, so die Angabe in der Health-Claims-Verordnung. In einer Studie von Mohammad und Samaneh aus dem Jahr 2011 wurden 690 infertile Männer täglich mit 200 µg Selen und 400 I.E. Vitamin E über mindestens 14 Wochen behandelt. Bei 52,6 Prozent der behandelten Männer zeigte sich eine Verbesserung des Spermienbeweglichkeit und/oder Spermienmorphologie. Bei 10,8 Prozent der Paare kam es während der Einnahmezeit zu einer spontanen Schwangerschaft. Der Einfluss von Selen auf die Schilddrüse könnte zu der fertilitätssteigernden Wirkung beitragen.
Immer mehr setzt sich die Auffassung durch, dass eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D auch für die Fruchtbarkeit von Bedeutung ist. Eine retrospektive Studie von Rudick et al. aus dem Jahr 2012 untersuchte den Zusammenhang zwischen den Vitamin-D-Blutspiegeln und der Zahl erfolgreicher IVF-Behandlungen. Bei den ausreichend mit Vitamin D versorgten Frauen fand sich eine bis zu viermal höhere Schwangerschaftsrate. Es bestand jedoch kein Zusammenhang zwischen der Embryoqualität oder der Eizellreifung mit dem Vitamin D-Serumspiegel. Vermutlich wird die Aufnahmefähigkeit der Gebärmutterschleimhaut durch Vitamin D positiv beeinflusst. In einer Studie aus dem Jahr 2013 vom selben Autor wurden 100 Empfängerinnen gespendeter Eizellen auf einen Vitamin-D-Mangel getestet. 31 Prozent der Frauen mit einem Vitamin-D-Defizit brachten ein lebendes Kind zur Welt, während es fast doppelt so viele (59%) in der Gruppe der Frauen mit ausreichender Vitaminversorgung waren. Das bestätigt die Vermutung, dass der Zustand der Gebärmutterschleimhaut die Erfolgsrate beeinflusst, denn nur deren Empfängnisfähigkeit konnte bei den Empfängerinnen der Eizellspende beeinflusst werden.
Folsäure ist nicht nur für Frauen mit Kinderwunsch ein Muss. Auch Männer profitieren von einer Einnahme. In einer Studie von Suzanne Young et al. von der Universität Kalifornien wurde die Spermienqualität von Männern in Verbindung mit ihren Folsäurewerten verglichen. Nach Berücksichtigung anderer Faktoren wie Alter, Alkoholkonsum und Begleiterkrankungen hatten Männer mit der höchsten Folsäurezufuhr (722-1150 µg/d) zu 2 bis 30 Prozent weniger Spermien mit Chromosomenanomalien im Ejakulat als Männer mit der geringsten Folsäurezufuhr. Pro 100 µg Folsäure sinkt das Risiko um 3,6 Prozent.
Freie Radikale beeinflussen erheblich die Spermienqualität. In der Samenzelle, der sie umgebenden Plasmamembran und in der Samenflüssigkeit können oxidativer Stress die Spermienfunktion beeinträchtigen, die Viskosität der Samenflüssigkeit mindern und häufiger zu DNS-Schäden führen. L-Glutathion, Coenzym Q10 sowie Vitamin C agieren als bedeutende Antioxidantien. Zu einem positiven Ergebnis kam eine Untersuchung von Tremellen et al. aus dem Jahr 2007. Bei den Paaren, bei denen die Männer eine Vitaminkombination mit antioxidativen Mikronährstoffen erhielten, betrug die Rate fortlaufender Schwangerschaften (normaler Verlauf bis 13. Schwangerschaftswoche) 38,5 Prozent pro Transfer, gegenüber 16 Prozent in der Kontrollgruppe. Unterschiede in der Befruchtung oder der Embryonenqualität fanden sich jedoch nicht. Eine Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2011 bescheinigte Antioxidantien eine positive Wirkung auf die Fertilität. In 34 zur Auswertung geeigneten Studien wurden 2876 Paare behandelt. Die männlichen Partner nahmen Antioxidantien – vor allem Vitamin E, Vitamin C, Folsäure und Zink, Placebo oder gar nichts ein. Bei den Paaren mit Antioxidantien-Gabe war die Schwangerschaftsrate 4,2-fach höher als bei den anderen Paaren. Diese Daten basieren auf 96 Schwangerschaften bei 964 Paaren in 15 Studien. Bei drei dieser Studien wurde auch die Lebendgeburtenrate ermittelt. Sie war in der Antioxidantien-Gruppe fast fünfmal höher als bei den anderen Paaren. Auch wenn es statistisch signifikant war, so basierten die Ergebnisse auf lediglich 20 Lebendgeburten bei 214 Paaren in 3 der untersuchten Studien. Es ist unklar, wie weit sich die Ergebnisse der Reagenzglasbefruchtung auf das natürliche „Szenario“ übertragen lassen. Dennoch sind die Ergebnisse eine hoffnungsvolle Tendenz.
Eine Studie von Showell et al., publiziert im Jahr 2013 in der renommierten Cochrane-Datenbank, untersuchte den Einfluss von antioxidativen Vitaminen auf die Fertilität. Es wurden die Ergebnisse aller placebokontrollierten Studien analysiert, in denen die Wirkung von Antioxidantien untersucht wurde. Insgesamt wurden 28 Studien gefunden, die den strengen Kriterien der Cochrane-Database genügten. Diese Studien enthalten Ergebnisse zu insgesamt 3548 Frauen. Eine leichte Erhöhung ließ sich unter der Therapie mit Antioxidantien feststellen, jedoch war diese nicht statistisch signifikant und die Ergebnisse sehr heterogen.
Eine Studie von Ochseedorf et al. belegte, dass bei infertilen Männern der intrazelluläre L-Glutathion-Status in den Spermien erniedrigt sein kann, und dass besonders bei Disstress die Glutathion-Werte in den Samenzellen abnehmen. Glutathion fördert die Verschmelzung des genetischen Materials von Eizelle und Spermium und ist für die Bildung des neuen Zellkerns notwendig.
Coenzym Q10 besitzt neben antioxidativen Eigenschaften auch die Fähigkeit, die Energiegewinnung der Zelle zu optimieren. Jedes Spermium enthält in seinem Mittelstück Mitochondrien, die die Energie für die Fortbewegung bereitstellen. Eine Coenzym Q10-Substitution optimiert die Energiebilanz des Spermiums und steigert die Beweglichkeit. In einer placebo-kontrollierten Studie von Nadjarzadeh (2013) erhielten unfruchtbare Männer über 3 Monate entweder 200 mg Coenzym Q10 oder Placebo. Die tägliche Einnahme des Coenzyms steigerte die Aktivität der antioxidativ-wirksamen Enzyme Katalase und Superoxiddismutase (SOD). Zugleich reduzierte sich der oxidative Stress in der Verumgruppe.
Die Anzahl der Spermien, die kein L-Carnitin enthalten, ist bei infertilen Männern signifikant erhöht und korreliert mit niedriger Spermienkonzentration und -beweglichkeit. Eine ergänzende Zufuhr von L-Carnitin kann dies positiv beeinflussen. So zeigt eine L-Carnitin-Supplementierung eine Verbesserung der Parameter und führt insgesamt zu einer erhöhten Schwangerschaftsrate gegenüber Placebo, so eine Studie von Li und Yuang aus dem Jahr 2007. In einer Studie von Sigman et al. wurden 21 Männer mit verminderter Spermienaktivität unklarer Genese ebenfalls mit Carnitin behandelt. 12 Patienten erhielten 2 Gramm L-Carnitin und 1 Gramm L-Acetyl-Carnitin pro Tag. 9 Patienten erhielten ein Placebo über einen Zeitraum von 24 Wochen. Die Ausgangsbefunde der Placebo- und der Verumgruppe unterschieden sich hier nicht signifikant voneinander.
Eine Hand voll Walnüsse kann ebenfalls die Spermien auf Trab bringen. Eine Studie von Robbins et al. an 117 Männern im Alter von 21 bis 35 Jahren untersuchte den Einfluss von täglich 75 Gramm. Die Hälfte der Gruppe erhielt über einen Zeitraum von 3 Monaten Nüsse. Die Sperma-Qualität in der Walnuss-Gruppe hat sich signifikant gesteigert. Gebessert haben sich die Vitalität, Beweglichkeit und Morphologie. Außerdem waren weniger Chromosomen-Anomalitäten festzustellen. Bei der Kontrollgruppe waren hingegen keine Veränderungen zu bemerken. Anzumerken ist, dass die Studie von der California Walnut Commission unterstützt wurde. Eine neutrale Studien von Safrinejad et al. dokumentierte die positive Wirkung von Omega-III-Fettsäuren auf die Spermienqualität. Da Nüsse reich an Fettsäuren sind, erscheint ein positiver Effekt denkbar. Natürlich können Mikronährstoffe die Fertilität von Mann und Frau nur unterstützen, viele weitere Faktoren sind ausschlaggebend für den Erfolg einer Schwangerschaft. Dennoch ist es sicherlich nicht schädlich, dem Kinderwunsch etwas nachzuhelfen. Wenn der Wunsch nach einer erfolgreichen Schwangerschaft nicht erfüllt wird, sind Paare sehr empfänglich für Tipps, Tricks und Hausmittel. Die Anfälligkeit, auf vollmundige Werbelyrik hereinzufallen steigt mit der Zahl der erfolglosen Versuche, schwanger zu werden. Studien über Nahrungsergänzungsmittel die über die Verbesserung einzelner Spermien- oder Eizellparameter berichten, können ein Indiz sein, die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit zu verbessern. Was fehlt, sind noch harte Fakten zum Zielparameter „Steigerung der Lebendgeburtenrate.