Ein Forschungsteam entschlüsselte nun einen lange Zeit unbekannten molekularen Mechanismus. Vitamin D reguliert nämlich die Elastizität der Blutgefäße und so auch die Blutdruckamplitude, so die Studienergebnisse.
Die UV-B Strahlung im Sonnenlicht ist der wichtigste Faktor bei der Herstellung von Vitamin D im Körper. Deshalb ist der Vitamin D-Spiegel vieler Menschen gerade im Winter zu niedrig. Bestimmte Nahrungsmittel enthalten zwar auch Vitamin D, für eine ausreichende Versorgung im Körper reichen Lebensmittel allerdings in der Regel nicht aus. Viele klinische Studien weisen darauf hin, dass ein zu niedriger Vitamin D Spiegel mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck aber auch anderen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen und Krebs in Zusammenhang steht. Die dahinter liegenden molekularen Mechanismen waren bisher jedoch noch unklar.
Die beiden Erstautorinnen der Studie, Molekularbiologin Olena Andrukhova und Humanmedizinerin Svetlana Slavic, vom Institut für Physiologie, Pathophysiologie und Biophysik an der Vetmeduni Vienna, fanden heraus, dass ein langanhaltender Vitamin D-Mangel die Steifigkeit der Blutgefäße erhöht. Am Beispiel der Aorta, einem elastischen Blutgefäß, das sich bei jeder Pulswelle dehnt und wieder verengt, zeigten die Forscherinnen, dass Vitamin D-Mangel das Gefäß weniger flexibel macht. Andrukhova erklärt im Detail: „Vitamin D verstärkt die Herstellung des Enzyms eNOS (endotheliale Stickstoffmonoxid-Synthase). Dieses Enzym wird in der innersten Schicht der Blutgefäße, dem Endothel, gebildet und ist entscheidend für die Regulation des Blutdrucks. Das Enzym produziert nämlich Stickstoffmonoxid (NO), ein wichtiger Faktor für die Entspannung der glatten Muskulatur in den Blutgefäßen. Wird zu wenig NO gebildet, werden die Gefäße immer unflexibler. Das führt letztlich zum Bluthochdruck und anderen Kreislauferkrankungen. So steuert Vitamin D indirekt den Blutdruck.“ Co-Autorin Slavic führt weiter aus: „Die Steifigkeit der Blutgefäße nimmt auch mit dem Alter zu. Deshalb steigt auch die Blutdruckamplitude im Laufe des Lebens an und führt zu strukturellen Veränderungen in der Aorta. Die Elastizität verschlechtert sich. Ein langanhaltender Mangel an Vitamin D kann diesen Prozess beschleunigen.“
Die Wissenschafterinnen arbeiteten mit genetisch veränderten Mäusen, um die Details des Mechanismus genauer zu erforschen. Die Vitamin D-Rezeptoren der Tiere wurden so verändert, dass keine Signalübertragung von Vitamin D mehr möglich war. Da Vitamin D auch den Kalzium- und Phosphathaushalt reguliert, wurden die Nager auf eine Spezialdiät gesetzt, in der sie ausreichend mit Kalzium und Phosphor versorgt wurden. Das Fehlen von Vitamin D war also der wesentliche Mangel, der die Physiologie der Tiere beeinflusste. Nach etwa einem Jahr ohne Vitamin D-Signalübertragung zeigten die Mäuse eine erhöhte Blutdruckamplitude. Die Forscherinnen führten eine Reihe von Untersuchungen an verschiedenen Geweben der Tiere durch. Um zu verstehen, was genau hinter der erhöhten Blutdruckamplitude steckt, analysierten sie die Aorta im Detail und fanden eine verminderte Expression von eNOS, sowie vermehrte Einlagerung von Kollagen und geringere Mengen elastischer Fasern. Die Blutgefäße wurden also im Laufe der Zeit steifer und konnten sich weniger flexibel dem Blutstrom anpassen. Die Folge war eine erhöhte Blutdruckamplitude und Veränderungen in Herzstruktur und Herzfunktion. In zukünftigen Studien wollen die Forscher genau untersuchen, ob Vitamin D an verschiedenen Zelltypen in Blutgefäßen unterschiedlich wirkt.
In Europa gibt es immer wieder Überlegungen, bestimmte Lebensmittel mit Vitamin D anzureichern, wie es beispielsweise auch in den USA üblich ist. Eine übermäßige externe Zufuhr von Vitamin D birgt jedoch auch Gefahren. Zu hohe Mengen an Vitamin D können vom Körper nicht ausgeschieden werden und können in sehr hohen Dosen zu Kalziumablagerungen in Blutgefäßen, Nieren, Lunge und Herz führen. Ein Mangel an Vitamin D kann jedoch auch dramatische Folgen haben. Institutsleiter Professor Reinhold Erben führt aus: „Es ist nicht so, dass Vitamin D Mangel sofort zu einem Anstieg der Blutdruckamplitude oder des Blutdruckes führt. Aber auf die Dauer kann dieser Einfluss zu kardiovaskulären Schädigungen führen. Vitamin D ist chemisch übersetzt die Sonne in uns, die wir regelmäßig tanken sollten, gerade im Winter. Dabei muss man allerdings bedenken, dass in Mitteleuropa zwischen November und Februar auf Meereshöhe eine Synthese von Vitamin D in der Haut aufgrund der zu geringen UV-B-Strahlung physikalisch unmöglich ist. Alternativen sind Vitamin D-Präparate oder Aufenthalt in den Bergen.“ Originalpublikation: Vitamin D Is a Regulator of Endothelial Nitric Oxide Synthaseand Arterial Stiffness in Mice Svetlana Slavic et al.; Molecular Endocrinology, doi: 10.1210/me.2013-1252; 2014