Bis heute gewinnen pharmazeutische Hersteller das Antikoagulationsmittel Heparin aus Schweinedärmen. In der Vergangenheit gab es mehrfach tödliche Zwischenfälle aufgrund verunreinigter Materialien. Jetzt ist die erste künstliche Herstellung von Heparin gelungen.
Ärzte setzen weltweit bei der Prophylaxe und Therapie von Thrombosen auf Heparine. Der Bedarf ist hoch: Pro Jahr werden mehr als 33 Tonnen Heparin benötigt. Das ist angesichts biologischer Ausgangsmaterialien nicht immer leicht. Seit 1938 arbeiten Firmen mit der Dünndarmmukosa von Schweinen als Ausgangsmaterial, um Heparine zu gewinnen. Hier wird keine Reinsubstanz im chemischen Sinne gewonnen, sondern hochmolekulare Glykosaminoglykane. Das hat einige Nachteile.
Besonders kritisch sind mögliche Kontaminationen. Ab dem Jahr 2000 sorgte die Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) für Schlagzeilen. Wissenschaftler hielten Heparine aus Rinderlungen als Übertragungsweg für möglich. Sie beschlossen, künftig nur noch Därme von Schweinen aufzuarbeiten. Trotzdem erwies es sich als schwierig, den Weltmarktbedarf zu decken. Das animierte Kriminelle ab Ende 2007 Heparine mit übersulfatierten Chondroitinsulfat (OSCS) zu mischen. Das Molekül ließ sich bei der Standardanalytik anfangs nicht vom Arzneistoff unterscheiden. Es ist 200 Mal preiswerter als Heparin. Allein in den USA kam es zu 81 bestätigten Todesfällen und zahlreichen schweren allergischen Reaktionen. Mitte Mai 2017, also rund zehn Jahre nach dem Skandal, tauchten erneut gepanschte Chargen auf. In der medizinischen Anwendung machen niedermolekulare Heparine ebenfalls Schwierigkeiten. Als Antagonisierung der Heparin-Wirkung werden Protaminsulfat und Protaminhydrochlorid eingesetzt. Sie finden bei Blutungen, der Hauptnebenwirkung von Heparinen, als Gegenmittel Anwendung. Bei niedermolekularen Heparinen neutralisieren Protamine die Anti-Faktor Xa-Aktivität allerdings nur teilweise. Hinzu kommt, dass manche Patienten muslimischen oder jüdischen Glaubens oder vegan lebende Menschen, Heparine ablehnen. Viele Argumente sprechen deshalb für synthetische Alternativen.
Jetzt stellen Forscher vom Rensselaer Polytechnic Institute New York einen Syntheseweg vor, um Kurzheparine aus 12 Sacchariden künstlich herzustellen. Ihr neues Verfahren sei aufgrund seiner Einfachheit gut hochskalierbar und auf industrielle Anforderungen übertragbar, heißt es im Artikel. Das kurzkettige Heparin zeigt einige Vorteile. Da es per Totalsynthese hergestellt wird, kann es nicht zu Kontaminationen kommen. Der Reinstoff lässt sich analytisch auch besser charakterisieren. Seine Wirkung wird durch Protaminsulfat gestoppt. Erste Tests im Tierexperiment zur Wirksamkeit und zur Sicherheit fielen erfolgreich aus. Das Präparat hatte bei Mäusen die gleiche antikoagulierende Wirkung wie Enoxaparin bei deutlich geringerer Dosis. Seine Halbwertzeit betrug bei Rhesusaffen fünf bis sechs Stunden, wobei es zur renalen Ausscheidung kommt. In der Leber findet kein nennenswerter Abbau statt. Wann nach diesen Erfolgen klinische Studien beginnen, ist noch nicht bekannt.