Für Jugendliche sind Tattoos mittlerweile selbstverständlich: Fast 40 Prozent der 16- bis 20-Jährigen in Europa und den USA sind tätowiert. Viele von ihnen sind schlecht über die medizinischen Risiken informiert. Worauf sollten Ärzte hinweisen und wem sogar ganz von Tätowierungen abraten?
Etwa zehn Millionen Menschen in Deutschland tragen eine oder mehrere Tätowierungen am Körper. Besonders bei jungen Menschen ist der Wunsch, den eigenen Körper individuell zu gestalten, groß: Nach Angaben von The Lancet tragen 36 % der 16- bis 20-Jährigen in den USA und Europa ein Tattoo [Paywall]. Für Jugendliche ist es eine Selbstverständlichkeit, sich ein Tattoo stechen zu lassen und sie sind häufig schlecht über die Risiken informiert. Aus medizinischer Sicht kann das problematisch sein. Worauf sollten Ärzte hinweisen und wem sogar ganz von Tätowierungen abraten?
Zu den bekannten Risiken zählt die Übertragung von HIV: Von 1.600 befragten Studenten waren sich 60,3 % über die Gefahr im Klaren, wie eine Umfrage italienischer Biomediziner ergab. Bei Hepatitis C und Hepatitis B waren es nur noch die Hälfte der Studenten. 28 % der Befragten hätten nicht gedacht, dass es bei Tätowierungen auch zu nicht-infektiösen Komplikationen wie Allergien gegen eines der applizierten Pigmente oder enthaltene Schwermetalle (z.B. Chrom oder Nickel) kommen kann. Sogar noch Jahre nach dem Eingriff. Kürzlich veröffentliche die American Academy of Pediatrics (AAP) eine Studie zum Thema Körpermodifikationen unter jungen Menschen. Erstautorin Dr. Cora Breuner erklärt, dass ernsthafte Komplikationen zwar eher selten auftreten, genaue Zahlen aber nicht vorliegen. Bekannt sind Infektionen mit Bakterien (Staphylokokken, Streptokokken, Mykobakterien und Pseudomonaden), Viren und Pilzen sowie die Übetragung von Hepatitis B und C, Tetanus und HIV und seltene Fälle von Neoplasien und Vaskulitis. Insgesamt kommt es bei etwa 6 % der Tätowierten nach dem Eingriff zu Infektionen und Allergien.
Die Ursachen für Komplikationen sind vielfältig: unhygienische Räume, nicht-sterile Tätowergeräte, mit Keimen belastete Tattoo-Farbe. Zwar gilt in Deutschland seit 2009 die Tätowiermittel-Verordnung, mit einer Liste von 39 gesundheitsschädigenden Substanzen, die in den Farben verboten sind. Aber es existiert keine Positivliste bzw. einheitliche Regelung darüber, welche Tätowierfarben verwendet werden dürfen. Farben müssen nicht amtlich zugelassen werden. Für die Sicherheit ist allein der Hersteller verantwortlich. So ist es für Tattoo-Studios nahezu unmöglich auszuschließen, ob die verwendeten Farben krebserregende oder erbgutschädigende Substanzen wie Schwermetalle (Arsen, Chrom, Nickel, Cobalt, Quecksilber) enthalten. Besonders rote Farbe führt durch teilweise enthaltenes Quecksilber häufig zu Entzündungen. Wie sich die verschiedenen Ingredienzien bei lebenslanger Exposition und im Zusammenspiel mit UV-Strahlung auf den Körper auswirken, ist bisher nicht absehbar. Bekannt ist aber, dass Pigmente durch eine zu hohe Stichtiefe im Körper „wandern“ und sich in Organen, beispielweise in den Lymphknoten und der Leber, anreichern.
Der Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ) rät jungen Erwachsenne mit Abwehrschwäche, Blutungsneigung (z.B. durch Antikoagulantien), Diabetes, Neurodermitis oder Herzfehlern, von Tattoos ab. „Heranwachsende sollten zudem bedenken, dass ihre Haut sich dehnt – in der Länge und in der Breite – oder später Falten bekommmen kann“, so Pädiater Dr. Ulrich Fegeler vom BVKJ. Dr. Uwe Kirschner, Dermatologe aus Mainz, rät auch Jugenlichen, die zu vielen Muttermalen neigen oder eine sehr helle Haut haben, von großflächigen Tattoos ab. Er erklärt: „Tatsächlich sind frühe Veränderungen von Pigmentmalen auf tätowierter Haut schwieriger zu entdecken.“ Die Beurteilung falle bei einem verdächtigen Hautmal unter Umständen schwer. Außerdem sei auch der Nutzen moderner Technik (Nevisense) eingeschränkt, weil die Referenzmessungen auf nicht tätowierter Haut stattgefunden habe. Auch Patienten, die als Kind schwere Sonnenbrände hatten oder regelmäßig die Sonnenbank benutzen, hätten ein erhöhtes Hautkrebsrisiko und sollten sich deswegen besser gegen ein Tattoo entscheiden. Zur Risikogruppe zählt Kirschner auch Sportler und junge Erwachsene in schweißtreibenden Berufen. In einer aktuellen Studie des Amla Colleges in Michigan fanden Sportwissenschaftler heraus, dass tätowierte Haut ca. 50 % weniger Schweiß bildet als untätowierte Haut. Tattofarbe wird in die mittlere Hautschicht, etwa drei bis 5 Millimeter tief, eingebracht. Dort befinden sich ebenfalls die ekkrinen Schweißdrüsen. „Gerade Sportler, für die eine gute Temperaturregulation des Körpers wichtig ist, sollten sich daher gut überlegen, ob sie große Hautflächen, wie Rücken, Bauch oder Arme/Beine tätowieren lassen,“ sagt Kirschner. Die Studie zeigt außerdem, dass im Schweiß deutlich höhere Konzentrationen von Natrium sind. Normalerweise resorbiert die Haut diese aus dem Schweiß, bevor er austritt. Menschen, die viel schwitzen und großflächliche Tattoos haben, sollten darauf hingewiesen werden, auf eine ausreichende Zufuhr von Elektrolyten zu achten.
Kritisch sieht Dr. Cora Breuner von der AAP auch, dass Jugendliche den Erfolg von Tattoo-Entfernungsmethoden überschätzen. In Deutschland bereut jeder Zweite seine Tätowierung. Die Entfernung ist oftmals problematisch. Es kann zu Narben und Depigmentierungen kommen. Die „sanfte“ Lasermethode hat im Vergleich zum chirurgischen Eingriff entscheidende Nachteile: Trotz mehrfacher Durchführung bleiben Reste häufig sichtbar. Außerdem können unvorhersehbare Immunreaktionen auftreten, weil Pigmente möglicherweise platzen und toxische bzw. krebserregende Substanzen freigesetzt werden können. Das Bundesinstitit für Risikobewertung (BfR) wies im Jahr 2015 nach, „dass bei der Laserbehandlung eines Tätowierpigments Stoffe in Konzentrationen entstehen, die hoch genug wären, in der Haut Zellschäden zu verursachen“. Es gibt in Deutschland kein gesetzliches Mindestalter für Tätowierungen. Entscheidend ist nicht allein das Alter, sondern laut Bundesministerium für Verbraucherschutz die geistige Reife. Das ist allerdings ein kaum überprüfbares Kriterium für Tattoo-Studios. Umso wichtiger ist für Ärzte, über die möglichen Komplikationen so früh wie möglich aufzuklären.