Der Fachbereich Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen steckt in großen Finanznöten. Die Notlage ihres Studienstandortes treibt die Studierenden zu kreativen Maßnahmen, die mitunter unter die Haut gehen.
Der Fachbereich Medizin der Gießener Justus-Liebig-Universität (JLU) steckt in großen Finanzsorgen. Ein Defizit von 4,9 Millionen Euro hatte im Mai 2013 dazu geführt, dass der Kanzler der Universität eine Haushaltssperre für den klammen Fachbereich verhängte, die wenig später in eine sogenannte Bewirtschaftungsauflage umdeklariert wurde. Das 2013er-Defizit konnte großteils durch vorhandene Rücklagen ausgeschlichen werden, dem für 2014 prognostizierten Defizit stehen jedoch keine ähnlichen finanziellen Rücklagen gegenüber. Die Gießener Studierenden sehen durch diese prekäre finanzielle Lage die Qualität der Lehre und vor allem deren Weiterentwicklung gefährdet. Zudem war es teils zu Ausfällen von Lehrveranstaltungen, vor allem im Bereich Physiologie, gekommen. Die Medizinstudierenden reagierten engagiert auf die Lage ihres Fachbereichs. So rief das „Aktionsbündnis Medizinstudierende gegen die Finanznot in der Hochschulmedizin“ die Website Lehre beleben ins Leben, die ausführlich über die Hintergründe der Finanzmisere, Geschehnisse vor Ort und die Aktionen des Bündnisses berichtet. Und Aktionen gab es seit dem vergangen Dezember einige. So protestierten am 12.12.2013 rund 600 Medizinstudierende unter dem symbolhaften Motto „Gute Lehre kostet... schlechte kostet Leben“ für den Erhalt einer angemessenen, innovativen medizinischen Ausbildung am Standort Gießen und gegen eine „Unterfinanzierung der Hochschulmedizin“. Andere Studierende wiederum zogen „neue Saiten auf“ und machten somit musikalisch auf die Lage ihres Fachbereichs aufmerksam. Mitte Dezember folgte dann das bisher ungewöhnlichste Projekt des Aktionsbündnisses. Die Verantwortlichen baten alle Medizinstudierenden des Fachbereiches, andere Studenten des Standortes Gießen und alle weiteren dem Standort verbundenen Personen (u. a. Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter) zum gemeinsamen „Aderlass“ unter dem Motto „Wir bluten für die Uni“. Der finanzielle Erlös der Aktion von ca. 3.500 €, ca. 150 Blutspender nahmen insgesamt teil, könne und solle weniger dazu dienen, die Löcher im Haushalt des Fachbereiches zu stopfen, sondern sei vielmehr eine „symbolische Geste“, um auf dessen Situation aufmerksam machen. http://www.youtube.com/watch?v=DqqLe7TLrOM Und der vorerst letzte Schritt in den Bemühungen des umtriebigen Aktionsbündnisses ist eine Online-Petition, die bisher (Stand 29.01.2014) von beinahe 2.000 Befürwortern unterzeichnet wurde und am 23.02.2014 endet. Darin fordern die Verantwortlichen eine „Anpassung des Landeszuführungsbetrages für die Hochschulmedizin Hessens“. So erhalte die Gießener Universität nach Angaben des Bündnisses pro Humanmedizinstudierendem per annum lediglich 24.200 € vom Land Hessen, was ein Minus von etwa 7.000 € pro Studierendem im Bundesdurchschnitt ergäbe. Auch sehen sich die angehenden Mediziner der Gießener Universität in der Aufteilung der hessischen Landesmittel auf die drei medizinischen Lehrstandorte Frankfurt, Marburg und Gießen benachteiligt. Der Präsident der Justus-Liebig-Universität Joybrato Mukherjee spricht in einem Interview davon, dass „sich in den vergangenen Jahren eine Verschiebung zugunsten der Frankfurter Goethe-Universität ergeben“ habe. Der Gießener Anteil sei seit 2009 von 31,2 % auf unter 30 % gefallen. Und auch das Präsidium der JLU schaut nicht tatenlos zu und hat kürzlich, in Zusammenarbeit mit dem Dekanat des Fachbereiches Medizin, das „Forum Medizinentwicklung“ ins Leben gerufen, um das über mehrere Jahre entstandene Haushaltsdefizit langfristig in den Griff zu bekommen.