Warum immer mehr Menschen an allergischem Asthma erkranken, ist noch immer nicht klar. Nun zeigt eine Studie, dass die zu geringe Aufnahme von Ballaststoffen daran Anteil haben könnten. Heißt es zukünftig: an apple a day keeps Asthma away?
„5 am Tag“ ist die bekannte Kampagne der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Gemeint sind fünf Portionen Obst und Gemüse, die pro Tag für eine gesunde Ernährung - und um das Risiko für Krebserkrankungen zu senken - verzehrt werden sollen. Aber wer hält sich da schon dran? Die Menge an verzehrtem Obst und Gemüse ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zurück gegangen. Damit einhergehend ist auch der Anteil an Ballaststoffen gesunken, während Kohlenhydrate und Fette vermehrt aufgenommen werden.
Ebenso erkranken in den letzten Jahrzehnten immer mehr Menschen neu an allergischem Asthma. Doch was hat der Obst- und Gemüseverzehr mit allergischem Asthma zu tun? Forscher um Prof. Benjamin Marsland vom Universitätsspital in Lausanne haben in Versuchen an Mäusen nachgewiesen, dass diese beiden Entwicklungen nicht nur zufällig zeitlich zusammentreffen, sondern auch ursächlich miteinander verknüpft sind. Die Ergebnisse wurden nun in Nature Medicine veröffentlicht.
Dass die mikrobielle Zusammensetzung des Darms bei der Vorbeugung von Darmkrebs eine Rolle spielt, ist bekannt. Dass die von den Darmbakterien fermentierten Fasern der Ballaststoffe auch ins Blut gelangen und in anderen Organen wirken können, ist dagegen neu. „Wir zeigen nun erstmals, dass der Einfluss der Darmbakterien viel weiter, nämlich bis zur Lunge reicht“, sagt Marsland. Sein Team untersuchte an Mäusen, welchen Einfluss Ballaststoffe in der Nahrung auf immunologische Reaktionen in der Lunge und auf die Zusammensetzung der Darmflora haben. Dazu fütterten Sie Mäusen entweder eine Standarddiät mit der empfohlenen Menge an Ballaststoffen von vier Prozent oder eine Niedrigfaserkost mit 0,3 Prozent fermentierbaren Fasern. Diese Kost entspricht etwa der westlichen Ernährungsweise, die durchschnittlich nur 0,6 Prozent Ballaststoffe enthält. Anschließend wurden die Tiere einem Extrakt von Hausstaubmilben ausgesetzt. Die Mäuse, welche die Niedrigfaserkost erhalten hatten, entwickelten eine stärkere allergische Reaktion und deutlich mehr Schleim in der Lunge als Tiere, die die Standarddiät bekommen hatten. Die Konzentration verschiedener Interleukine, welche durch die vermehrte Lymphozyteninfiltration ausgeschüttet wurden, war erhöht. Ebenso waren die Werte für total IgE und das Hausstaubmilben-spezifische IgG erhöht.
Auch der umgekehrte Versuch, nämlich der Vergleich von Standarddiät und einer mit fermentierbaren Fasern angereicherten Diät, lieferte den Nachweis für die schützende Wirkung dieser Art von Ballaststoffen. Die Forscher untersuchten auch, welcher Mechanismus hinter dem Effekt stecken könnte. Es handelt sich um eine mehrstufige Reaktionskette. Zuerst gelangen die Fasern in den Darm, wo sie von Bakterien zu kurzkettigen Fettsäuren (engl. short chain fatty acids SCFA) wie Acetat, Propionat und Butyrat fermentiert werden. Diese werden unter anderem ins Blut abgegeben und beeinflussen die Reifung von Immunzellen im Knochenmark, den so genannten dendritischen Zellen. Durch den Hausstaubmilbenextrakt angezogen wandern sie in die Lunge, wo sie schließlich eine weniger starke Abwehrreaktion auslösen. Die Fettsäuren bewirken auch eine verminderte Bildung von TH2-Zellen, welche durch die Ausschüttung von Zyktokinen eine allergische Reaktion befeuern können. Die ballaststoffarme Kost führte zum gegenteiligen Effekt, nämlich einer vermehrten Bildung der TH2-Zellen.
Marsland und seine Kollegen verglichen die Entzündungsreaktion auf den Hausstaubmilbenextrakt nach der Verabreichung von Trinkwasser, das entweder mit einer Salzlösung oder mit Propionat versetzt wurde. Die erste Reaktion war in beiden Gruppen gleich. Doch dann kam der große Unterschied. In Tieren, welche zusätzlich Propionat bekommen hatten, nahm die Entzündung schnell ab, während sie bei den Kontrolltieren bis zu sechs Tage lang stark zu beobachtanhielt. Die Messung der immunologischen Parameter (Zytokinlevel) bestätigte diese Beobachtung.
Die Untersuchung zeigt ebenfalls, dass durch die Niedrigfaserdiät im Vergleich zur Standarddiät die Anzahl und Vielfalt der Darmbakterien verringert wird. Der weitere Zusatz von Pektin, dem in dieser Studie verwendeten Ballaststoff im Gegensatz zur unverdaulichen Zellulose, zur Standarddiät brachte in Bezug auf die Anzahl der Bakterien keine weiteren Effekte. Allerdings veränderten sich verschiedene Bakterienfamilien im Darm. Eine ballaststoffreiche Kost hat zur Folge, dass sich der Anteil an Bacterioidaceaen und Bifidobacteriacean erhöht. Für die Bifidobacteriacean wurde bereits gezeigt, dass die kurzkettigen Fettsäuren für sie Wachstumsstimulatoren sind. Die faserarme Nahrung hingegen führt zur Dominanz von Firmicuten, besonders von Erysipelotrichaceaen, welche auch bei Mäusen vermehrt nachgewiesen wurden, die mit einer in der westlichen Welt typischen fettreichen Diät gefüttert wurden.
Marsland denkt, dass die Resultate seiner Gruppe klinisch relevant sind, weil zum einen der Anteil an pflanzlichen Fasern in der westlichen Ernährung mit der Niedrigfaserkost der Mäuse vergleichbar ist und zum anderen, weil sich die untersuchten Aspekte des Immunsystems bei Maus und Mensch kaum unterscheiden. Ob die Ernährung beim Menschen einen ähnlichen Einfluss auf das Allergiegeschehen im Körper hat, ist aber noch ungewiss. „Wir planen nun klinische Studien, um zu untersuchen, wie sich eine mit fermentierbaren Fasern angereicherte Diät auf Allergien und Entzündungen auswirkt“, erklärt Marsland. Wie bei allen komplexen Erkrankungen ist die Ernährung aber nicht der einzige entscheidende Faktor. Wie sonst ist es zu erklären, dass es in der DDR weniger Allergien und Asthma gab, wo Gemüse, aber vor allem Obst, nicht in der Vielfalt und Menge zur Verfügung stand, wie im restlichen Deutschland? Dennoch sind die Ergebnisse überzeugend und könnten ein guter Anlass sein, wieder mehr auf „5 am Tag“ zu achten.