Virologen fanden Hinweise, dass Zika, Ebola und andere Viren im Hoden monatelang überdauern. Die Erreger entziehen sich unserem Immunsystem. Spezielle Therapien gibt es nicht. Momentan bleibt es bei Folgeuntersuchungen und beim Schutz durch Kondome.
Bislang tauchten in der medizinischen Literatur etliche Fallberichte zur Persistenz von Viren im menschlichen Sperma auf. Ein Italiener hatte sich in Haiti mit dem Zika-Virus infiziert. Forscher fanden bei dem vermeintlich genesenen Mann noch nach 134 und nach 188 Tagen Erreger im Ejakulat. Auch bei einer Studie mit Ebola-Patienten konnten sieben bis neun Monate nach der Genesung noch Viren im Sperma nachgewiesen werden. Virologen vermuteten, dass dies bei vielen Infektionen zutrifft.
Alex P. Salam von der University of Oxford hat jetzt die medizinische Literatur systematisch nach Fallberichten durchsucht. Er fand mehr als 3.800 wissenschaftliche Artikel zum Thema. Daraus ließen sich Hinweise ableiten, dass 27 Viren im Ejakulat persistieren. Es handelt es sich nicht nur um bekannte Erreger wie HIV, Hepatitis- oder Herpesviren. Auch Zika-, Ebola-, Marburg-, Lassa-, Chikungunya-, Mumps- oder Epstein-Barr-Viren kamen im männlichen Samen vor. „Kliniker und Forscher müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass vermeintlich nicht sexuell übertragbare Viren im Sperma bestehen können, und es zu einer Infektion beim Sex kommt“, erklärt Salam. „Allerdings bedeutet der Nachweis von Viren im Samen nicht automatisch, dass jedes Virus sexuell übertragen werden kann.“ Salam ergänzt: „Es ist unklar, inwieweit die im Sperma nachgewiesenen Viren auch sexuell übertragen werden können.“ Das liegt an methodischen Schwächen so mancher Publikation: Forscher haben in Proben virales Erbgut und/oder virale Proteine entdeckt. Das heißt noch lange nicht, dass replikationsfähige Partikel vorliegen. Um dies zu beweisen, müssten Viren isoliert und in vitro beziehungsweise im Tiermodell vermehrt werden. Lebensfähige Pathogene reichen allein aber noch nicht aus. „Für manche, aber nicht für alle Erreger fanden wir Hinweise auf sexuelle Übertragung“, berichtet der Erstautor. Pritish Tosh von der Mayo Clinic in Rochester warnt vor Panik. Weitaus relevanter seien Mückenstiche beim Zika-Virus oder Tröpfcheninfektionen beim Epstein-Barr-Virus.
Die Ergebnisse von Salam überraschen nicht wirklich. Um Spermien vor dem unerwünschten Zugriff unseres Immunsystems zu schützen, arbeitet unser Körper mit der Blut-Hoden-Schranke. Sie ist für große Proteine als Bestandteile des Immunsystems nicht durchlässig. Während Pathogene schnell aus dem Blut verschwinden, können sie sich im Hoden dem Zugriff von Antikörpern entziehen. Ärzte unterstützen diesen Prozess vielfach mit symptomatischen Pharmakotherapien. Bei Zika stehen etwa analgetische und antipyretische Wirkstoffe im Mittelpunkt. Kausale Möglichkeiten der Behandlung haben es noch nicht bis zur Marktreife geschafft. Deshalb empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO, das Ejakulat nach drei Monaten im Labor zu testen. Lassen sich Erreger nachweisen, sollten weitere Untersuchungen im Monatsabstand folgen. Bis zur Virusfreiheit bleibt es beim Sex mit Kondom. Diese Ratschläge sind während der Ebola-Epidemie entstanden, sind jedoch bei allen viralen Infektionen sinnvoll.