Multiple Sklerose tritt bei Kindern relativ selten auf. Neurologen haben nun herausgefunden, dass sich Läsionen im Gehirn von Kindern feststellen lassen, bevor erste Symptome auftreten. Das ermöglicht eine frühere und damit bessere Therapie.
Multiple Sklerose (MS) ist nach der Epilepsie die häufigste neurologische Erkrankung jüngerer Erwachsener. Eine weitere Form der Krankheit ist die seltenere pädiatrische MS und beginnt vor dem 17. Lebensjahr. Sie macht etwa 3 bis 5 Prozent aller diagostizierten MS-Fälle aus. In Bezug auf Symptomatik, Verlauf und Therapie gibt es altersabhängige Unterschiede: Bei pädiatrischen MS-Patienten ist die Schubrate höher als bei Erwachsenen. Dafür bilden sich die Symptome nach einem Schub schneller zurück. Der Behinderungsgrad steigt somit langsamer an. Trotz des günstigeren Erkankungsverlaufs haben pädiatrische MS-Patienten etwa 10 Jahre früher einen vergleichbaren Behinderungsgrad als erwachsene MS-Patienten. Läsionen im Gehirn, aber keine Symptome Neurologen der School of Medicine in Yale haben nun herausgefunden, dass bei Kindern MS-assoziierte Veränderungen des Gehirns in MRT-Aufnahmen sichtbar sind, noch bevor MS-Symptome auftreten. Die Forscher untersuchten in ihrer Studie die klinischen und radiologischen Daten von 38 Kindern aus sechs Ländern, darunter 27 Mädchen und elf Jungen. Die Kinder wurden in erster Linie aufgrund anderer Symptome im MRT untersucht, hauptsächlich aufgrund von Kopfschmerzen (53 Prozent). Dabei stellten die behandelnden Ärzte auf den MRT-Aufnahmen zufällig Gehirnläsionen fest. Das Phänomen, dass Läsionen im MRT erkennbar sind, aber keine weiteren Symptome vorliegen, bezeichnet man auch als Radiologisch isoliertes Syndrom (RIS). Dieses wurde bisher nur bei Erwachsenen beschrieben. Bei Kindern mit RIS treten Symptome früher auf „Kinder mit RIS könnten eine Hoch-Risikogruppe für MS darstellen. Sie müssen daher besser bezüglich einer späteren Entwicklung klinischer MS überwacht werden“, erklärt Hauptautorin Dr. Naila Makhani, Assistenzprofessorin für Pädiatrie und Neurologie. 42 Prozent der Kinder mit auffälligen MRT-Aufnahmen entwickelten innerhalb der folgenden zwei Jahre erste Symptome wie eine Neuritis nervi optici oder eine Myelitis. Im Gegensatz dazu zeigen sich erste Symptome bei Erwachsenen mit RIS erst innerhalb von fünf Jahren. Bei den Kindern, die einen spezifischen Marker in der Spinalflüssigkeit oder im MRT Läsionen am Rückenmark aufwiesen, stellten die Neurologen ein erhöhtes Risiko fest, an MS zu erkranken. Laut Makhani erhielten fünf der Kinder eine Behandlung mit Dimethylfumarat, um den Ausbruch der Krankheit möglichst zu verhindern. Dimethylfumarat ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Fumarate zur Behandlung der Multiplen Sklerose. Die Neurologin wies jedoch darauf hin, dass die geringe Anzahl an Patienten keine Rückschlüsse auf den Erfolg zulässt. „Wir hoffen unsere Arbeit hilft Experten dabei, Richtlinien bezüglich der Verlaufsuntersuchung bei Kindern mit RIS zu verbessern. Außerdem ist es nun möglich, Familien genau über das Risiko eines möglichen Ausbruchs der Erkrankung aufzuklären. Das war uns vorher nicht möglich.“ Quelle: Radiologically isolated syndrome in children. Makhani et al., Neurology: Neuroimmunology & Neuroinflammation, doi: 10.1212/NXI.0000000000000395; 2017